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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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696 Ordnung und Chaos des Marktes stand über Instrumente, um die Distribution der Agrarprodukte vom Erzeuger bis zum Verbraucher zu organisieren. Die Doppelfunktion des Reichsnährstandes äußerte sich darin, dass ihm neben der Kernaufgabe der Marktordnung auch in der mit Kriegsbeginn eingeführten Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Erzeug- nisse eine Schlüsselrolle zukam. Während der Reichsnährstand Verstöße gegen die Marktordnung mit Ordnungsstrafen ahndete, wurden Verstöße gegen die Bewirt- schaftung durch die allgemeine Straf- oder, in schwereren Fällen, Sondergerichts- barkeit abgeurteilt. Die Sondergerichtsbarkeit aufgrund der KWVO von 1939 zielte auf die Ver- folgung des „Kriegsschiebers“, eines antisemitischen und antikapitalistischen Ste- reotyps mit Bezug zur „Chaoszeit“ des Ersten Weltkrieges. Dieses idealtypische Konstrukt steht in Kontrast zu den Realtypen ländlicher Schattenwirtschaft : dem bäuerlichen Schwarzschlächter, dem bäuerlichen Schleichhändler, dem bediensteten Ge- treideverfütterer und dem bäuerlich-amtlichen Falschmelder. Die ländliche Schatten- wirtschaft war nicht auf den „Schwarzmarkt“ beschränkt, sondern knüpfte sich auch an die alltägliche Reziprozität : etwa das Vertrauen gegenüber Familien- und Betriebsangehörigen, multifunktionale Beziehungsgeflechte der Hofbesitzer/-in- nen, Zwischenhändler/-innen und Abnehmer/-innen oder die vor Ort gültige Mo- ralökonomie. Letztlich beeinflussten der informell-illegale und der formell-legale Agrargütermarkt einander wechselseitig : Die ländliche Schattenwirtschaft diente auch dazu, das von der Marktordnung unter den Vorzeichen der Bewirtschaftung erzeugte Chaos  – etwa die Widersprüche der Fleischbewirtschaftung für „Selbst- versorger“  – bis zu einem gewissen Grad wieder in eine Ordnung zu bringen. Suchten die marktbezogenen Regulative den Fluss der Agrarprodukte zu ord- nen, sollte die „Erzeugungsschlacht“ die Quelle nicht versiegen lassen. Sie um- fasste drei Steuerungsinstrumente : propagandistische Appelle, die mit Kriegsende von der Steigerung auf die Stabilisierung der Erzeugung zurückgenommen wur- den ; finanzielle Abgeltungen, die stabile Preise und flexible Prämien beinhalteten ; schließlich die behördliche Aufsicht, die bis zur Zwangsversteigerung ordnungs- widrig geführter Betriebe ausgeweitet wurde. Die Gesamtbilanz der „Erzeugungs- schlacht“ fällt zwiespältig aus : Rückschlägen, etwa dem Sinken der Bodennut- zungsintensität, standen Erfolge, etwa das Halten der Vieh intensität, gegenüber. Das während des Krieges um etwa ein Fünftel sinkende Gesamtvolumen der Ag- rarproduktion ging einher mit einer fast ebenso stark sinkenden Bodenproduktivi- tät und einer  – weniger aufgrund betrieblicher Mechanisierung, sondern vielmehr familialer Selbst- und Fremdausbeutung  – stabilen Arbeitsproduktivität. Gemessen an der „Wiederaufbau“-Euphorie vor dem Krieg endete die „Erzeugungsschlacht“ mit einer glatten Niederlage ; doch nach Maßgabe der nüchterneren Lagebeurtei- lung nach Kriegsbeginn gelangen auf dem Feld und im Stall beachtliche Teilsiege.
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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