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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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706 Eine grünbraune Revolution ? konfliktorientierte Modell der landwirtschaftlichen Tretmühle rückt die Konkurrenz zwischen bäuerlichen Übernehmern technischer Neuerungen in den Mittelpunkt. Der für Industriegesellschaften charakteristische Agrarpreisdruck wegen wach- senden Nahrungsmittelangebots und gedämpfter Nachfrage kann vom Einzelbe- trieb  – mangels Einfluss auf die Preisgestaltung  – nur mittels produktivitätsstei- gender Technologien aufgefangen werden. Die Extraprofite technischer „Vorreiter“ (early-bird farmers) veranlassen die breite Masse (average farmers), die Neuerun- gen zu übernehmen. Die dadurch erweiterte Kluft zwischen Angebot und Nach- frage auf den Produktmärkten zwingt technische „Nachzügler“ (laggard farmers) zum Nachrüsten oder Aufgeben ihre Betriebe, zum Wachsen oder Weichen. Wie Hamster im Laufrad, die trotz aller Mühe nicht von der Stelle kommen, versuchen die Betriebsbesitzer/-innen in der Tretmühle vergeblich, ihre Einkommen durch technische Neuerungen zu steigern.43 Das staats- und systemorientierte Modell der Integration durch Unterordnung sieht die entscheidende Triebkraft im industrialisierten Nationalstaat, der mittels konsensstiftender und dissensbrechender Machtressourcen die revolutionäre Pro- duktivitätssteigerung der Landwirtschaft im Dienst der Ernährungssicherheit der Industriebevölkerung forciert. Im Zuge technischen und institutionellen Wandels wird die Agrargesellschaft in ihrer Mehrfachrolle als Nahrungsmittelproduzentin, Betriebsmittelkonsumentin und Arbeitskraftreservoir vergesellschaftet,44 das heißt in die Industriegesellschaft integriert und zugleich deren Logik untergeordnet.45 Gleichzeitig mit dem Übergang vom solar- zum fossilenergetischen Agrarsystem erfolgt der Übergang von einem agrarisch-industriellen Wissensregime, das die Eigenarten tierischer und pflanzlicher Ressourcen anerkennt, zu einem industriell- agrarischen Wissensregime, das keinen Unterschied zwischen lebenden und ande- ren Ressourcen kennt.46 Das staats- und konfliktorientierte Modell des agrarischen Wohlfahrtsstaates fokussiert auf das Ringen zwischen dem Konkurrenzdruck des Weltagrarmarkts und den Schutzmaßnahmen der europäischen Nationalstaaten, die in drei Wellen  – den 1880er, 1930er und 1950er Jahren  – markt- und preispoli- tische Regelwerke zur Stützung bäuerlicher Einkommen setzen. Darin äußert sich teils der Einfluss mächtiger Agrarlobbies auf den Staatsapparat,47 teils die von den Entscheidungsträgern geteilte Grundüberzeugung des „landwirtschaftlichen Ex- zeptionalismus“, demzufolge die Andersartigkeit des Agrarsektors auch andersar- tige Eingriffe  – etwa Agrar- als Sozialpolitik  – erfordere.48 Trotz unterschiedlicher Akzente schließen sich diese Ansätze keineswegs völlig aus ; vielmehr ergänzen sie einander im Bestreben, den produktivistischen Übergang der Agrargesellschaft aus der Wechselwirkung technischer und institutioneller Momente zu erklären. Jedoch bedürfen diese Makroperspektiven auf Agrarrevolutionen der Ergänzung durch Mikroperspektiven, um die Denk- und Handlungsweisen der ‚Revolutionäre‘ auch
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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