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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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749Versuchsstation des völkischen Produktivismus sektors, Art der Verwicklung in das Kriegsgeschehen, Versorgungslage der urban- industriellen Bevölkerungsteile und so fort.154 Auch innerhalb der Reichsgrenzen bestanden regionale Unterschiede ; so etwa scheint die ‚nachholende Modernisie- rung‘ in der Ostmark insgesamt stärker akzentuiert gewesen zu sein als die unter abgeschwächtem Modernisierungsdruck stehende Agrarentwicklung im „Alt- reich“.155 All die nationalen und regionalen ‚feinen‘ Unterschiede stehen jedoch im Schatten des ‚groben‘ Unterschieds, der im Systemvergleich das nationalsozialisti- sche Alleinstellungsmerkmal darstellt :156 Während die Agrar- und Ernährungs- politik in allen Krieg führenden Staaten Europas  – den Achsenmächten ebenso wie der Anti-Hitler-Koalition  – vor allem eine kriegsstrategische Rolle spielte,157 diente allein Hitler-Deutschland die Nahrung als Waffe im Vernichtungskrieg ge- gen innere und äußere „Rassenfeinde“  – von sowjetischen Kriegsgefangenen bis zur jüdischen und slawischen Zivilbevölkerung Osteuropas.158 Das vom NS-Agrarapparat betriebene Makroprojekt einer durchtechnisierten, marktverflochtenen und staatsgeleiteten Landwirtschaft bot den Mikroprojekten der bäuerlichen Akteure in der Ostmark positive und negative Bezugspunkte.159 Betriebe und Haushalte in den Nischen der Agrarentwicklung knüpften  – etwa durch marktorientierte Ölfrucht- oder Milcherzeugung  – daran an oder wandten sich  – etwa durch familienbezogene Subsistenzproduktion  – davon ab. Der Haupt- strom pendelte, je nach Gegebenheiten, zwischen Anknüpfung und Abwendung. Die Akteure in den Pioniernischen, vor allem beim überambitionierten, wenig effektiven „Gemeinschaftsaufbau im Bergland“, verweigerten sich zwar manchen Eingriffen in ihren familienbetrieblichen Autonomiebereich. Doch sie setzten mehr oder weniger autonome Entwicklungsschritte, die sich in der Agrarrevolu- tion der Nachkriegszeit  – wie die Einführung des Vertragsanbaus von Sonderkul- turen im Flach- und Hügelland160 oder die Umstellung von Ochsenaufzucht auf Milchwirtschaft im Bergland161  – zu regionalen Entwicklungspfaden verfestigten. Zwar steigerte die Spezialisierungstendenz die betriebliche Verletzlichkeit gegen- über staatlich gelenkten Marktmechanismen ; doch die selbstkontrollierte, noch stark diversifizierte Ressourcenbasis stützte die Resilienz der Pionierbetriebe. Auf diese Weise stellte das Makroprojekt des völkischen Produktivismus in Verbindung mit den Mikroprojekten pionierhafter Wirtschaftsstile Weichen, die über 1945 hi- naus die Entwicklungspfade regionaler Agrarsysteme  – und auf längere Sicht den Hauptstrom der Betriebe insgesamt  – in Richtung des produktivistischen Über- gangs lenkten. Die Wirkungsmacht des völkischen Produktivismus erschöpfte sich jedoch nicht im qualitativ ‚großen‘, aber quantitativ ‚kleinen‘ Übergang in den Pionier- nischen. Sie umfasste auch einen qualitativ ‚kleineren‘, aber quantitativ ‚größeren‘ Übergang, der weit in den Hauptstrom der Agrarentwicklung hineinwirkte : die
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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