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Das zusammengedrängte Gedenken
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44 programmatischen Leitgedanken des Zyklus enthält. Vor-bild für deren formale Gestaltung könnte die allegorische Figur der Befreiung Jerusalems sein, die Overbeck als Schlussstein ins Zentrum der Decke des Tasso-Raums im Casino Massimo gesetzt hatte. Durch die Allegorien, wel-che die Austria umgeben, werden die vier um das Mittel-bild angeordneten Darstellungen historischer Ereignisse aus den unterschiedlichsten Epochen der österreichi-schen Geschichte miteinander verbunden und erfahren eine Deutung im höheren Sinn.Die rautenförmigen Bilder und die Bilder in den Zwickel feldern sind inhaltlich paarweise angeordnet: zwei Rechtsszenen, zwei Bündnisszenen, zwei Belehnungen und zwei Verteidigungsszenen sind einander jeweils zuge-ordnet. Das Schema wird bereits im ersten Gesamtent-wurf für die Deckengemälde bzw. dem ersten Pro gramm-entwurf angedeutet und in der zweiten Entwurfszeichnung für Decken- und Wandgemälde (zweiter Gesamtentwurf), die dem zweiten Programmentwurf vorangeht, weiter aus-formuliert und festgelegt. Die Aktualität der dargestellten Ereignisse, die nahe der unmittelbaren Gegenwart Kupel-wiesers113 angesiedelt sind, steht in Kontrast zu den zeit-lich entrückten, in mancher Hinsicht auch zeitlosen Dar-stellungen114, die um das Mittelbild gruppiert sind. Aber nicht nur inhaltlich, auch formal bilden die Gemälde an den Wänden eine Einheit und unterscheiden sich von jenen des Deckenspiegels. Die Bildausschnitte der ein-zelnen Szenen sind fragmentarisch, besonders in den unmittelbaren Vordergrund werden Figuren gesetzt, die den Betrachter in das Bild hineinführen und zugleich das Bild nach außen hin öffnen. Dieser zwar durchkompo-nierte, dennoch spontan erscheinende Bildausschnitt verleiht den Szenen eine Unmittelbarkeit und direkte Präsenz, die sie von den idealen, überhöhten und distan-zierten Kompositionen des Deckenspiegels unterschei-det. Trotz allegorischer Verdichtungen, Überhöhungen und Inszenierungen war Kupelwieser bemüht, dem Pos-tulat historischer Wahrscheinlichkeit dort zu genügen, wo Ereignissen durch geschichtliche Authentizität Über- dem Babenbergischen stamme angefangen, in dem Habsbur­ gischen erhöhet und in dem lothringischen prosequieret.“112Im ersten Programmentwurf spricht Kupelwieser ebenfalls von den drei Epochen österreichischer Herr-schaft, deren Übergänge er mit zwei Belehnungen und der Figur Karls VI. exemplarisch darstellen will. Gerade die Figur Karls VI. wiederum ist mit Klosterneuburg eng verbunden, wollte dieser Herrscher es doch in Anknüp-fung an die babenbergische Tradition des Stiftes und als Ausdruck der Kontinuität seiner Herrschaft zu seiner Residenz bestimmen. Im Zenit der Kuppel des Klosterneuburger Marmor-saals ist ein Obelisk mit dem Bildmedaillon des Gründers von Klosterneuburg, des hl. Leopold, dargestellt. Die bekannte Gründungslegende mit der Auffindung des Schleiers findet sich auch in Kupelwiesers Entwurfszeich-nung für den Deckenspiegel, wo sie die Verbundenheit der österreichischen Herrscher mit der christlichen Tra-dition des Landes besonders akzentuiert. Darunter befinden sich in der Kuppel an den Haupt-achsen der Ellipse vier größere Figurengruppen und Sze-nen, die auf die Ereignisse der österreichischen Geschichte anspielen, und vier dazwischen eingefügte allegorische Ergänzungen. Eine dieser Gruppen stellt Leopold V. (Leopold der Tugendhafte) mit gezücktem Schwert und dem österreichischen Bindenschild dar. Die umgebenden gefesselten Gefangenen und der Sieges-kranz weisen auf seinen Sieg bei Akkon während des drit-ten Kreuzzuges hin. Auch in einer frühen Entwurfsskizze Kupelwiesers für eines der vier Zwickelbilder findet sich die Gestalt Leopolds V. als Kreuzfahrer wieder. Über der Eingangstüre des Marmorsaales in Kloster-neuburg ist die Hochzeit Maria Theresias und damit die Verbindung der Habsburger mit der lothringischen Linie dargestellt. Der Knabe mit dem Füllhorn deutet symbo-lisch den Kindersegen des Paares an. Kupelwieser bestimmte Maria Theresia ursprünglich zu der zentralen Gestalt einer seiner Dreier-Gruppen, die für die Zwickel-felder bestimmt waren. Auf der Entwurfszeichnung wird sie, ähnlich der Allegorie der Austria, auf dem Thron sitzend dargestellt. In der Fresko-Ausführung schmückt ihr Porträt eines der rundbogigen Bildfelder über den Fenstern. Das Motiv des Knaben mit dem Füllhorn findet sich in der Austria-Allegorie auf dem ersten und dem zweiten Gesamtentwurf der Deckengemälde bzw. der Decken- und Wandgemälde wieder. Obwohl in der Aus-führung naturgemäß große Unterschiede bestehen, sind die Ähnlichkeiten in den Konzepten Grans und Kupel-wiesers doch augenfällig. Den Mittelpunkt des Statthalterei-Zyklus bildet die Dar-stellung der Austria im Deckenspiegel, die bereits den 112 zit. nach: Knab (1977) p. 130.113 Diesen Bezug zu Gegenwart setzt Kupelwieser programmatisch an den Beginn seiner Überlegungen zum Gesamtkonzept: „Glaubt der Gefertigte Momente aus der österreichischen Geschichte wählen zu müssen, welche […] in einer bestimmten Beziehung (zum Bedürfnis) zur Gegenwart stehen […]“ (Programmentwurf II, siehe Anhang).114 Vgl.: Die Verdichtung verschiedener geschichtlichen Epochen zu einer Szene wie im Gemälde Die drei Erbauer der St. Stephanskirche sowie die Einführung allegorischer Figuren wie die Personifika-tionen von Theologie, Rechtswissenschaften und Medizin in der Gründung der Wiener Universität; auch die zeitlosen, an der Renais-sance orientierten Gewänder schaffen eine zeitunabhängige Dimension.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Das zusammengedrängte Gedenken
Autor
Sigrid Eyb-Green
Verlag
Bibliothek der Provinz
Ort
Weitra
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Abmessungen
24.0 x 27.0 cm
Seiten
312
Schlagwörter
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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