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58 des vor der barocken Jakobskirche zu Heiligenstadt
dar-gestellt.
Durch Donau und Kahlenberg im Hintergrund
wird hier, wie bei Kupelwieser, auf Wien als
Wirkungs-stätte
des Heiligen verwiesen. Für St. Michael schuf
Leo-pold
Schulz um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein
Gemälde, das Severin als Seher
zeigt.Die
Vorstellung von Severin in den Weingärten an den
Hängen des Kahlenbergs ist aber nicht nur eine von
betreten kann und der durch die spärliche Beleuchtung
der Szene einen geheimnisvollen, mystisch-düsteren
Rah-men
verleiht, verlegt Kupelwieser die Begegnung in die
liebliche Landschaft der Weinberge um Wien. Durch
diese freiere Interpretation der Geschichtsquellen erhält
das Geschehen einen natürlichen, heiteren und weniger
symbolisch aufgeladenen Charakter.
Zur Figur des hl. Severin
Der hl. Severin wirkte im 5. Jahrhundert als Missionar in
Noricum, wo die spätantike römische Herrschaft im
Zer-fall
begriffen war. Die von Eugippius, dem Abt eines von
ihm gegründeten Klosters, um 511 verfasste Biographie
Vita Sanci Severini ist zugleich die einzige Quelle aus der
Zeit der untergehenden Römerherrschaft in der Provinz
Noricum.187 Severin galt vor allem als Beschützer der
römischen Bevölkerung, seine karitative und politische
Tätigkeit entfaltete er entlang der Stationen Favianis
(Mautern), Asturis (Klosterneuburg), Comagenis (Tulln),
Iuvavis (Salzburg), Boiotro (Passau), Lauriacum (Lorch)
und wieder Favianis. Die Identifikation von Favianis mit
Wien-Heiligenstadt konnte sich in der Forschung nicht
durchsetzen. Kupelwiesers Darstellung des Heiligen in
den Weingärten des Kahlenberges entspricht aber dem
Wissensstand seiner Zeit. So schreibt etwa Lichnowsky:
„Dieses Faviana, oder nach Eugipps gleichzeitiger Lebens
beschreibung St. Severins, Favianis, stand nach allgemeiner
Meinung an der Stelle des alten Vindobona.“188
Auch in Ladislaus Pyrkers Gedicht St. Severin lebt der
Heilige am Rande
Wiens:„[…]
Er wohnt im Wald, in einer einz’gen Zelle, / nicht weit
von Favina’s Stadtgebiet; / nun breitet Wien sich aus an
dessen
Stelle.“189Über
die aus dem 5. Jahrhundert stammende
Jakobs-kirche190
in Heiligenstadt findet man seit dem frühen
12. Jahrhundert Berichte eines Severinkultes.
„Dieser heilige Mann erbaute zur gemeinschaftlichen Gottes
verehrung hier eine Capelle […]. Diese Capelle hält man für
die noch jetzt im Pfarrhofe bestehende Capelle zum hl. Jacob,
in der man auch wirklich Mauerstücke findet, die mehr als 1000
Jahre den Verwüstungen der Zeit und der Menschen getrotzt
haben mögen. Auch soll St. Severin, welcher am 8. Jänner 482
verstarb […] in derselben beerdigt worden sein.“191
Sowohl die Kirche St. Jakob192 als auch St. Michael in
Hei-ligenstadt
waren als Orte der Severins-Verehrung mit
Bildnissen des Heiligen ausgestattet. 193 (Abb.
71)In
ersterer befindet sich ein Gemälde von Kröll aus
dem Jahre 1745, St. Severin wird im unteren Teil des Bil- Abb. 71: „Die alte Steinkirche in Sievering, gez. von Morcette.“
(= Jakobskirche); Bildquelle: Ziska (1847).
187 Zur Entstehungszeit des Freskenzyklus lag das Werk in zwei
Über-setzungen
vor: Johann Heinrich von Falckensteins Vollständige
Geschichte der alten, mittlern und neuern Zeiten des Großherzogthums
und ehemaligen Königreichs Bayern (1. Band) enthält eine
Überset-zung
von Eugippius’ Text; weiters erschien 1817 in Passau der
Band Das Leben des hl. Severin, übersetzt von P. Durach.
188 Lichnowsky (1817) p. 3. Vgl. auch: Sickingen (1831 – 1841) 2. Bd.,
p. 106; Ziska (1847) p. 29. Weiters wurde „Comagenus“ wiederholt
als „Kahlenberg“ übersetzt, vergleiche etwa: Hormayr (1811 – 1854)
1. Bd. (1811) p.
4.189
Zit. nach: Pennersdorfer (1878) p. 9.
190 Es gibt aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts auch mehrere
Darstellungen dieser Kirche, die sie in Zusammenhang mit dem
hl. Severin bringen, so etwa eine Illustration von Morcette in
Ziskas Geschichte des Stadt Wien (1847). Im Kapitel über den hl.
Severin findet sich das Bild Die alte Steinkirche in Sievering (Abb.
15), welches eine Rekonstruktion der Kirche zur Zeit des hl.
Severin versucht. Weiters: Willibald Richter: Kapelle des hl. Severin
bei Wien. Aquarell. Katalog Kunstwerke, öffentlich ausgestellt im
Gebäude der oesterreichisch kaiserlichen Akademie der vereinigten
bildenden Künste St. Anna. Im Jahr 1848. Wien 1848, p. 13, #
171.191
Sickingen (1831 – 1841) 2. Bd., p.
191.192
Bei Grabungen in den Jahren 1952/53 konnten zwar
Grabkam-mern
aus dem 5. Jahrhundert gefunden werden, die traditionelle
Deutung als erstes Grab St. Severins ist jedoch auszuschließen.
Vgl.: Lechner (1953) p. 54 – 71; Lechner (1976) p. 397, Anm. 66.
193 Die Ortsnamen Sievering und Heiligenstadt wurden beide
volks-etymologisch
von Severin abgeleitet, und noch heute ist Severin
im Döblinger Wappen dargestellt. Vgl.: Ziska (1847) p. 29.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Pfarrort durch eine
neu entdeckte Mineralquelle zu einem beliebten Ausflugsziel und
Heilbad, welches u.a. auch von Kupelwiesers engem Freund
Moritz von Schwindt besucht wurde.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306