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„Die magyarische Grenzfeste, das stolze Medelike [Melk]
auch die Eisenburg genannt, wurde von ihm gestürmt, ein
genommen und der Feind bis an den Kahlenberg zurückge
drängt, wodurch die Ostmark […] bedeutende Erweiterung
erlangte […].“221
Beide Autoren betonen dabei die Frömmigkeit, welcher
Leopold I. seinen Sieg verdankt und die ihn dazu
ver-anlasst
habe, an der Stelle der Burg ein Chorherrenstift
zu
erbauen.„Leopold
wählte Melk zu seiner Residenz, und wohl erken
nend, daß er seine Erhöhung und sein Siegesglück allein dem
Höchsten zu verdanken habe, baute er in seinem neuen
Wohnsitz eine Kirche und ein Chorherrenstift, welches er sich
und den seinigen zur Stätte der ewigen Ruhe erkor.“222
Anton Ziegler ging in seiner Interpretation noch weiter
und deutete Leopolds Eroberung der „unbezwingbaren,
höhnenden Burg“ innerhalb des
gesamthistorisch-heils-geschichtlichen
Geschehens im Sinne eines Sieges des
Christentums über die Heiden:
„Mitten in der Freude und des Sieges allgemeinem Jubel
gedachte jetzt der Erlauchte als ein rein christlicher Ritter und
Held, daß dem Herrn der Heerscharen Ruhm, Ehre und Preis
Kupelwieser bei seinem Aufenthalt in Rom 1824 gesehen
hatte. Auch hier erstürmen, in der Bewegungsrichtung
von links nach rechts, Ritter mit Leitern die Festung und
klettern über Mauern in das Burginnere. Als zentrale
Gruppe gestaltete Carolsfeld ebenso zwei kämpfende
Gegner, von denen der linke mit seinem Schwert zum
Schlag ausholt, während der unterlegene Krieger bereits
hilflos am Boden liegt und versucht, den Schlag
abzu-wehren.
Ähnliche Motive finden sich weiters in dem die
Leiter hinaufkletternden Ritter links im Mittelgrund und
in der eine bewimpelte Lanze hochhaltenden Figur
dar-über.
Auch der Hintergrund ist ähnlich gestaltet: Rechts
erkennt man in beiden Gemälden Teile der Burg, während
sich links der Ausblick auf eine Landschaft öffnet, über
die, den Ausgang der Schlacht vorwegnehmend, das
Banner weht.
Die Erstürmung von Melk in der historischen
Literatur der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
In der untersuchten historischen Literatur wird das
Ereig-nis
in Ziskas illustrierter Geschichte von Wien und in
verschiedenen Werken Anton Zieglers behandelt. Melk,
hier etymologisch von Mea Dilecta – Medelik219 abgeleitet,
wird als Stadtquartier der Römer (Castrum Ferreum) und
dann als Versammlungsort der Heereshaufen des
unga-rischen
Anführers Geysa beschrieben.220
Seine Erstürmung durch Leopold I. wird als weiterer
Schritt zur territorialen Etablierung der österreichischen
Mark dargestellt:
Abb. 86: Detail aus einem Blatt mit Skizzen zu Wand- und Deckengemälden:
Entwurf zu dem Gemälde „Leopold I. stürmt Melk“; Bleistift, geripptes
Papier, gesamt 240 x 340 mm; Universität Graz, Institut für
Kunstgeschichte. Abb. 87: Detail aus dem zweiten Gesamtentwurf für Wand- und
Deckengemälde: Bildfeld „Leop: Erlauch: giebt Öst. seine heutige Grösse
durch Erstürmung Melk’s 985“; Bleistift, geripptes Papier, gesamt 418 x
569 mm; Nö. Landesmuseum, Inv. Nr. 7000/348.
219 Die „Mea-Dilecta“-Etymologie findet sich erstmals im Breve Chro
nicon Austriacum Mellicense (bald vor 1177), das 1742 von
Hierony-mus
Pez herausgegeben wurde. Vgl.: Petrin (1996) p. 541,
Anm.
24.220
Ziegler (1838 – 1840) Text zu Abb. 7: Die Stiftung der Abtei zu Melk
984.221
Ziska (1847) p.
55.222
Ebd. p. 55.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306