Seite - 70 - in Das zusammengedrängte Gedenken
Bild der Seite - 70 -
Text der Seite - 70 -
70 ihm geführten Münzsiegel in ritterlicher Rüstung und
prachtvollem langen Mantel, in der Rechten ein nach
oben weisendes Zepter, in der Linken ein auf den Boden
gestelltes Schwert, und mit dem (erfundenen)
Erzher-zogshut.
Auch das – damals in der Schatzkammer
aufbe-wahrte230
– Porträt zeigt Rudolf mit diesem Erzherzogshut.
Auf Grundlage des als Privilegium Maius bekannten
Fäl-schungskomplexes
ließ Rudolf IV. den üblichen
Her-zogshut
in dem Gemälde durch eine Zackenkrone mit
Bügel und Kreuz – in Imitation der Reichskrone – zum
Erzherzogshut erhöhen. Tatsächlich aber existierte dieser
Erzherzogshut zur Zeit Rudolfs noch nicht, erst Ernst der
Eiserne ließ einen solchen anfertigen. Auf dem Dach
links hinter Rudolf ist der Schriftzug Rudolph IV. und
MCCCLX zu erkennen. Diese Jahreszahl bezieht sich auf
die Ausstellung des Stifterbriefes vom 17. Juli
1360.231Rechts
von Rudolf dem Stifter sitzt mit
übergeschla-genen
Beinen, ihm zugewandt, Heinrich II. Jasomirgott,
Abb. 100: „Rudolf IV.“; Bleistiftzeichnung, 6. Skizzen
buch;
Nö. Landesmuseum, Inv. Nr. 7000/516. der in der Rechten einen Bauplan hält. Er trägt den
Her-zogshut
mit Hermelinstulpe und ein einfaches weißes
Hemd mit engen langen Ärmeln, welches auf dem Karton
noch mit einem reichen Muster verziert ist. Über die linke
Schulter ist der weite rote Herzogsmantel mit breiter
wei-ßer
Blende drapiert.232 Möglicherweise orientierte sich
Kupelwieser in der Gestaltung von Haartracht und
Klei-dung
an der Darstellung des Herzogs auf dem
Babenber-ger
Stammbaum von Klosterneuburg.233 Dieses zeigt den
229 Im Privilegium Maius wird der Empfang der Lehen
österreichi-scher
Herzöge im Erzherzogshut (dem Herzogshut mit der
Zacken krone) beschrieben. Der mittelalterliche Erzherzogshut
(Erzherzogskrone), wie er etwa bei der Stifterfigur Rudolfs IV. in
St. Stephan bzw. auf dem Porträt Rudolfs IV. (heute im
Erzbischöf-lichen
Dom- und Diözesanmuseum, Wien) dargestellt ist oder im
Privilegium Maius beschrieben wird, existierte zur Zeit Rudolfs IV.
nicht. Der erste, von Ernst dem Eisernen angefertigte
Erzher-zogshut
ist nicht erhalten. Auch der für Erzherzog Ferdinand I.
geschaffene Erzherzogshut ist nicht mehr vorhanden. 1616 wurde
ein weiterer Erzherzogshut von Erzherzog Maximilian III. gestiftet
und dem Stift Klosterneuburg zur Aufbewahrung übergeben. Von
dort wurde der Erzherzogshut zur Erbhuldigung nach Wien
gebracht (erstmals 1620, zuletzt 1835). Bereits zur Zeit Josephs
II. erkannte der kaiserliche Hausarchivar Theodor von Rosenthal
die Diskrepanz zwischen der Erzherzogskrone der
mittelalterli-chen
Darstellungen und dem in Klosterneuburg aufbewahrten
Herzogshut. Er konnte Staatskanzler Kaunitz von der Richtigkeit
seiner Forschungsergebnisse überzeugen, worauf eine
Rekon-struktion,
auf dem Erzherzogshut der Stifterfigur in St. Stephan
basierend, ausgeführt wurde. Der Vorschlag, den Erzherzogshut
von Klosterneuburg umzuarbeiten, wurde abgelehnt. Von der
Rekonstruktion der Erzherzogskrone aus dem 18. Jahrhundert,
die Joseph II. für seine Krönung zum Römischen König herstellen
ließ, ist nur die Karkasse erhalten. Vgl.: Kugler (1985) p.
42.230
Vogl (1845) p.15: „Hierbei [Alte Schatzkammer, im Dom; Anm.] hing
seine [Rudolfs, Anm.] Abbildung, welche jetzt in der Schatzkammer
aufbewahrt wird.“
231 Die Ausstellung des Stifterbriefes bzw. das Jahr 1360 wird in der
bearbeiteten zeitgenössischen historischen Literatur nur von
Hormayr erwähnt: Hormayr (1823 – 1825) 5. Bd., p. 86. Die
mei-sten
anderen Autoren nennen als denkwürdiges Ereignis in
die-sem
Zusammenhang die Grundsteinlegung für den Thekla- und
Speis- Chor und für die beiden Türme am 7. April 1359. Vgl.:
Ziegler (1843 – 1849) 1. Bd., p. 175. Die Illustration dazu zeigt die
Begutachtung des Kirchenmodells auf der Baustelle durch Rudolf
IV. Ziska (1832) p. 144.
232 In die Regierungszeit Heinrichs II. Jasomirgott wurde unter
Rudolf IV. das Privilegium Maius (Fridericianum) rückdatiert. Es
stellt eine Erweiterung des Privilegium Minus vom 17. September
1156 dar, das nach der Fälschung zerstört wurde und nur in
Abschriften erhalten ist. Die Zusammenlegung von Ober- und
Unter- Österreich und ihre Erhebung von einer Mark zu einem
Herzogtum wurde schon im Privilegium Minus bestätigt, der
Pas-sus
wurde in das Privilegium Maius übernommen. Heinrich II.
Jasomirgott wird deshalb schon im Babenberger Stammbaum im
Herzogsgewand und mit Herzogshut dargestellt.
233 Auf die engen Beziehungen, die Kupelwieser mit dem Kloster
unterhielt, und die zahlreichen Aufenthalte wurde bereits an
früherer Stelle hingewiesen. Vgl. S. 43, Fußnote 110. Es ist daher
sehr wahrscheinlich, dass er den dort aufbewahrten
Babenberger-Stammbaum
gut kannte.
zurück zum
Buch Das zusammengedrängte Gedenken"
Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306