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78 als auch durch Rudolf IV. – zitiert. Bezeichnenderweise
wurde der Karton zum Gemälde Die Gründung der Uni
versität zu Wien im 20. Jahrhundert als Gründung des
Stephansdoms gelesen bzw.
fehlinterpretiert.265Gemäß
dem nazarenischen Kunstanspruch, nicht
Darstellbares im Kunstwerk erfahrbar zu machen, wollte
Kupelwieser nicht nur den Bau an sich, sondern auch
dessen Bestimmung und Bedeutung veranschaulichen
und musste eine ideal-überzeitliche Ebene durch
symbo-lische
Überhöhung der Wirklichkeit konstruieren. Dies
erreichte er durch die Einführung allegorischer Figuren
und die Verwendung von klassischen Bildzitaten wie dem
der drei Lebensalter oder, im Fall Rudolfs, der Pose des
richtenden Paris. Diese tradierten Muster nobilitieren
den Herrscher und heben ihn aus dem Bereich der
all-täglichen
Wirklichkeit heraus, zugleich verdeutlichen sie
seinen Weitblick und den visionären Gehalt seiner
Stif-tung.
Durch die rahmenden Momentaufnahmen
mittel-alterlicher
Szenarien – der Baustelle und des
Lehrbe-triebs
an der neuen Universität – spannt Kupelwieser
eine zeitliche Achse innerhalb des
allegorisch-ahistori-schen
Bildgefüges. Diese narrativen Elemente verleihen
der sonst so streng und klar gegliederten Komposition
mehr Lebendigkeit und größere atmosphärische Dichte.
Damit folgt Kupelwieser genau den Kostümstudien seiner
Zeit, wo es beispielsweise heißt:
„Die Röcke waren […] auch abgeschnitten umb die Lenden,
[…] und waren die Röcke einer Spannen nahe über die Knie
[…] auch trugen sie Hencken [Mäntel, Anm.] die waren all
umb rund und ganz, die hieß man Glocken.“263
Der Bart Rudolfs ist kurz gehalten und die Haare fallen
offen in den Nacken, wie folgende Stelle in der Literatur
beschreibt:
„Den Bart trug man kurz, […], die Haare dagegen lang und
fliegend, d.h. sie wurden hinten bis auf den Nacken herab
fallend nach außen in eine Locke gebogen […].“264
Auf dem Haupt trägt Rudolf, anders als im Gemälde Die
drei Gründer der Stephanskirche, nicht die vielzackige
Erz-herzogskrone,
sondern den roten Herzogshut mit
Her-melin-Krempe.
Möglicherweise orientierte sich
Kupel-wieser
dabei am Klosterneuburger Erzherzogshut, den er
hier ohne Diadem und Kreuzbügel
darstellt.In
dem Gemälde Die Gründung der Universität zu Wien
versuchte Kupelwieser, den abstrakten Vorgang der
Grün-dung
einer Institution teils durch Allegorisierung, teils
durch szenische Elemente zu veranschaulichen.
Einer-seits
griff Kupelwieser dabei auf Darstellungstraditionen
von Gründungserzählungen zurück, wie etwa Der erste
Spatenstich oder Besuch auf der Baustelle, wo der Stifter
ein Modell oder einen Plan des Baus begutachtet.
(Abb. 110) In der Geschichtsmalerei wurden diese
Bild-formeln
besonders häufig in Darstellungen der Gründung
des Stephansdoms – sowohl durch Heinrich Jasomirgott Abb. 109: „Die Gründung
der Universität zu Wien“;
Aquarell über Bleistift,
dickes Velin-Papier
(Aquarellpapier),
232 x 317 mm; rechts
unten mit Bleistift
beschriftet:
„Regierungs-saal,
Gründung der
Universität (ausgeführt)“;
Nö. Landesmuseum,
Inv. Nr. 7000/340.
263 Hefner-Alteneck (1840 – 1854) 1. Abt., p. 22, Zitat einer „alten
Nachricht“.264
Ebd. p.
22.265
Übergabe/Übernahmsbescheinigung des Bundesdenkmalamts
von 9 Kartons für den Freskenzyklus in der
niederösterreichi-schen
Statthalterei. Archiv des Österreichischen
Bundesdenk-malamtes,
zZl. 2276, v. 1949, Wien, 3. Juni 1949.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306