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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
Seite - 105 -
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105 Zu den architektonischen Zitaten im Gemälde „Das öffentliche Gericht zu Tulln“ Die links im Bild dargestellte Tullner Stadtmauer mit Rundturm war zur Entstehungszeit des Gemäldes noch größtenteils erhalten.386 Diese teilweise bis ins 13. Jahr-hundert387 zurückgehende Stadtbefestigung wurde erst in den Jahren 1861 – 1864 bis auf den Turm und wenige Mauerreste geschleift. Sickingen beschrieb 1835 in seiner Darstellung Tullns noch den Befestigungsbau und seine vier Tore: „Hier bestehen auch nach allen vier Weltgegenden Thore, nämlich das St. Pöltner­ , Frauen,­ Wiener,­ und das Wasser­ thor, mit viereckigen Thürmen und Ziegeldach […]. Übri­ gens ist die Stadt rings mit einer steinernen Mauer umgeben, welche noch Ueberreste eines alten runden Vertheidigungs­ thurmes, gegen Westen enthält.“388Im Zuge des erwachenden Interesses an Österreichs mit-telalterlicher Vergangenheit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es auch zu einer intensiven und sys-tematischen Aufnahme und Erforschung von Bauwerken aus dieser Zeit. Schon 1817 lag der Band Denkmale der Baukunst und Bildnerey des Mittelalters in dem österreichi­ schen Kaiserthume des Historikers Eduard Lichnowsky vor, welcher unter der Aufsicht von Joseph Fischer, Professor an der Akademie, illustriert wurde und dem damaligen Kurator der Akademie, Fürst Metternich, gewidmet war. In das 1826 herausgegebene Werk 264 Donau­ Ansich­ ten wurde auch eine Abbildung der Dreikönigskapelle von Adolf Kunike aufgenommen; Rump bezeichnete sie hier noch als römischen Tempel: „Tulln (wo einst die Römer hausten) ist eine alte […] lan­ desfürstliche Stadt […] mit einem alten, römischen Tempel, der noch ganz unbeschädigt, aber in eine Kirche verwandelt ist […].389 „Im Gegensatze zu dem harten Rechte, welches in anderen Ländern und Städten die Fürsten über Verlassenschaften, Witwen und Waisen sich zuschrieben, waren die Bestimmun­ gen des von Leopold dem Glorreichen erlassenen Wiener Stadtrechtes ungemein milde.“381 Kupelwieser veranschaulicht in seinem Gemälde durch die Darstellung der Frau mit ihrem Kind, die in der Linken auch einen Geldbeutel trägt, diese besonders gegen Wit-wen und Waisen milde und gerechte Gesetzgebung Leo-polds. Nicht nur Leopold der Glorreiche, sondern auch diese Figur erfährt also im Vergleich zu der früheren Ver-sion eine Umdeutung: Erst Bittstellerin und Empfängerin von Almosen, wird sie zu einer Person, der dank der Weis-heit Leopolds Gerechtigkeit widerfährt. Als gerechter Friedensstifter wird Leopold der Glor-reiche bereits im Babenberger Stammbaum von Kloster-neuburg geschildert, wo er zwischen Kaiser Friedrich II. und Papst Gregor IX. vermittelnd dargestellt wird. Die konkrete Szene in Kupelwiesers Bild – ein Landtaiding zu Tulln – bezieht sich auf das neue Landrecht, das Leopold seiner Mark verlieh. Hormayr beschrieb diese von Leo-pold VI. eingeführte Form der Gerichtsbarkeit bereits 1814 im Österreichischen Plutarch: „Dreymal des Jahres saß der Herzog selbst oder dessen Stell­ vertreter öffentlich unter freyem Himmel zu Gericht; die Wahlstätten waren: Tuln, Mautern, Neuburg.“382In seinem Werk Wiens Geschichte und seine Denkwürdig­ keiten (1823 – 1825) zitiert er dann direkt aus dem Land-recht Leopolds: „Das sindt die Recht undt Gewohnheit des Landts, bei Her­ zog Leopolden von Österreich, das kein Landes Herr soll kein taidinge haben, nur über sechs Wochen und nicht darhinden und sollen auch die taidinge sein nur zu Neuburg, zu Tulln, und zu Mautern.“ 383 Übereinstimmend damit heißt es in dem Reimgedicht des Seifried Helbling aus den ersten Tagen der habsburgi-schen Herrschaft, das Hormayr im Anschluss wörtlich anführt: „Bey einem Leopold es geschah / Der diz Landes Herre was, / sich fueget das man vor im laß / des Landes Recht ez was sein bett / Man nannt im Drey Stett / Da er die Gerichte nit sollte sparn / Neuenburch, Tulln, Mautarn / Da sold er haben offenbar / Drei Landtaidnich in dem Jar.“1844 gab der Historiker Theodor Georg von Karajan eine Gesamtausgabe der Gedichte Seifried Helblings her-aus.384 Die dort publizierte Version des Gedichts, die von der bei Hormayr orthographisch abweicht, übernahm schließlich Ziska 1847 in seine Geschichte der Stadt Wien.385 381 Ziegler (1843 – 1849) 1. Bd., p. 265. 382 Hormayr (1807 – 1814) 19/20 Bd., (1814), p. 63.383 Hormayr (1823 – 1825) 2. Bd., Heft 3, p. 78f.384 Karajan (1844) Vers 652 – 660.385 Ziska (1847) p. 81.386 Bis 1850/70 blieb Tulln im Wesentlichen auf die ummauerte Altstadt beschränkt. Siehe dazu: Aichinger-Rosenberger (2003) p. 2401.387 Die neuere Geschichtsforschung geht davon aus, dass die Stadt-mauer im Zuge des letzten großen Ausbaus der Stadt unter Leo-pold VI. etwa 1220 errichtet wurde. Vgl.: Lechner (1974) p. 246. 388 Sickingen (1835) Bd. 1, Heft 1, p. 170.389 Kunike (1826) p. 13, Text zu Bild Nr. CIX. Die Kapelle dürfte zu der Zeit nur wenig bekannt gewesen sein. Kunike schreibt: „Hr. Weidmann scheint den merkwürdigen römischen Tempel zu Tulln nicht gekannt zu haben, indem er in seinem ,Wegweiser‘ auf Seite 125 von Tulln versichert: ,Merkwürdiges ist daselbst nichts als einige Fabriken‘.“ Kunike (1826) p. 14.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Das zusammengedrängte Gedenken
Autor
Sigrid Eyb-Green
Verlag
Bibliothek der Provinz
Ort
Weitra
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Abmessungen
24.0 x 27.0 cm
Seiten
312
Schlagwörter
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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