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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
Seite - 122 -
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122 nicht unter die Helden aus den Türkenkriegen, sondern ehrte ihn durch eine Darstellung zusammen mit zwei der bedeutendsten Herrscher aus den Reihen der Habsbur-ger, Maximilian I. und Karl V. Zu dem Motiv der ganz rechts aus dem Bild fliehenden türkischen Krieger könnte Kupelwieser durch eine Illus-tration von Johann Nepomuk Geiger zu Ziskas Geschichte Wiens, Die Türken bestürmen Wien 1529, angeregt worden sein.446 (Abb. 175)Die Flüchtenden sind jedoch nicht realistisch im Sinne einer historischen Momentaufnahme aufgefasst, sondern Teil einer zur Metapher stilisierten Szene. Durch die sehr reduzierte formale Gestaltung des Vordergrun-des – links die siegreichen Feldherren, rechts die aus dem Bild heraus fliehenden Türken –, durch die ahistorische Verknüpfung von in denkmalhaften Posen erstarrten Hel-den und die bedeutungsvolle Gegenüberstellung des Stephansdoms mit dem von den Türken hochgehaltenen Ross-Schweif447 wird der übergeordnete Sinngehalt des Gemäldes deutlich. Die Großmacht, die ganz Europa in Schrecken versetzte und die schließlich vor den Toren Wiens mit vereinten Kräften geschlagen wurde, wurde nicht zuletzt auch als eine kulturell-religiöse Bedrohung empfunden. Dementsprechend ist in der zeitgenössi-schen historischen Literatur in dem Zusammenhang immer von „Christensklaven“ und „Christenkindern“ oder vom „Christenheer“ die Rede. Auch Leopold Kupelwieser skizziert in seinem zweiten Programmentwurf das Thema als „Bischof Kollonitsch, welcher im verlassenen Türkenlager die Kinder der erschlagenen Christen sammelt“.448 Die dra-matische Gegenüberstellung der beiden Symbole Halb-mond und Kreuz in Verbindung mit dem Stephansdom wird zum Leitmotiv in Guido Görres Ballade Die Befreiung Wiens:449 „[Starhemberg spricht] ,Nun pflanz’ ich auf den Stefans­ thurm die heil’ge Kreuzesfahn […] Und sinkt die Fahn’ vom Stefansthurm,/dann stehe Gott uns bei,/dann decke sie als Leichentuch/den Starhemberger frei!‘/Der Sultan rief dem Starhemberg: ,Bei Allah, hör mein Wort,/ich werf’ die Fahn’ vom Stefansthurm/und pflanz den Halbmond dort./Ich mache Wien zur Türkenstadt,/Sanct Stefan zur Moschee‘ „Das hat wohl mit der großen symbolischen Bedeutung Wiens als Haupt­ und Residenzstadt, als ,Kaiserstadt‘ zu tun. Die Erinnerung an die siegreich bestandene Belagerung konnte in besonderem Maße geeignet erscheinen, österrei­ chisches Gemeinschaftsgefühl zu fördern.“444Abgesehen davon war aber der Feldherr, Kunstmäzen und Staatsmann Prinz Eugen schon zu Lebzeiten ein Mythos geworden und erfreute sich großer Popularität. Anton Ziegler bezeichnet ihn als den „[…] größten Feld­ herrn seiner Zeit, der große Beschützer der Kunst und Wissenschaft, und Verschönerer Wiens durch herrliche Gebäude.“445 Sein ungewöhnlicher Lebenslauf, seine Bil-dung und sein außergewöhnlicher Charakter machten ihn zu einer der herausragendsten Persönlichkeiten sei-ner Zeit, die nicht auf ihre Rolle des siegreichen Feld-herrn gegen die Türken reduziert werden konnte. Dem-entsprechend reihte ihn Kupelwieser ursprünglich auch Abb. 175: „Die Türken bestürmen Wien 1529, comp. von Geiger“; Bildquelle: Ziska (1847). 444 Bruckmüller (1998) p. 281. 445 Ziegler (1838 – 1840) zu Bild Nr. 27. 446 Ziska (1847) p. 347. 447 Türkisches Feldzeichen. In der frühesten Darstellung (Gesamt-entwurf für die Decke, Niederösterreichisches Landesmuseum, Inv. Nr. 7000/348, Bleistiftzeichnung auf Papier) war der Ross-Schweif noch mit einem Halbmond verziert, was den symboli-schen Gehalt der Gegenüberstellung zusätzlich betonte. 448 Programmentwurf II, siehe Anhang. 449 Guido Görres: Die Befreiung Wiens. Zit. nach: Pennersdorfer (1879) p. 238 – 240.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Das zusammengedrängte Gedenken
Autor
Sigrid Eyb-Green
Verlag
Bibliothek der Provinz
Ort
Weitra
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Abmessungen
24.0 x 27.0 cm
Seiten
312
Schlagwörter
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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