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„Aspern klingt’s und Carl klingt’s siegestrunken,/wo nur
deutsch die Lippe lallen kann,/nein Germanien ist nicht
gesunken,/hat noch einen Tag und einen Mann.“
Dabei ist die Akzentverschiebung von abstrakten,
staat-lich-nationalen
Kontextualisierungen hin zur
Personali-sierung
eines Ereignisses, verbunden mit der Intention,
aus den verschiedenen Faktoren eines historischen
Moments den bestimmenden personalen Kern
herauszu-schälen
und zu instrumentalisieren, als Muster
habsbur-gischer
Geschichtsreflexion deutlich erkennbar.470
Die Übertragung dieses Prinzips in die bildende
Kunst erfolgte im selben Jahr von Johann Peter Krafft in
seinem Gemälde Erzherzog Karl mit der Fahne des Regi
ments Zach in der Schlacht bei Aspern, 1809 (1812).471 Er
griff dabei auf den von Benjamin West und John Singleton
Copley geschaffenen Kompositionstypus zurück, der in
einer Verbindung von Porträt und Ereignisbild das
Indi-viduum
und seine Taten zum Mittelpunkt des Bildes
macht und die Schlacht selbst in den Hintergrund treten
lässt. Unmittelbares Vorbild für Kraffts Gemälde war die
Darstellung von Napoleon auf dem St. Bernhards Pass
seines ehemaligen Lehrers Jacques-Louis David. Das
Motiv des Hochreißens der Fahne findet man gleichfalls
durch ein französisches Vorbild, Bonaparte auf der Brücke
(Heinrich von Kleist) war geschaffen. Bei Anton Ziegler
findet man eine sehr genaue Beschreibung des
Höhe-punktes
der Schlacht:
„Auf diesen fürchterlichen Angriff, der das österreichische
Centrum schon schwanken machte, war jetzt der entschei
dende Augenblick, der zwischen Sieg und Niederlage ent
scheiden sollte, gekommen. Da eilte aber Erzherzog Karl dem
bedrängten Punkte mit allen seinen Kräften zu Hilfe, rufte
seine Grenadiere zu sich und zeigte sich selbst persönlich
unter dem dichtesten Kugelregen auf den gefährlichsten Plät
zen, sowohl Generale als auch die gemeinen Soldaten durch
seinen eigenen Muth anfeuernd. Schon war Lannes mit
wü thendem Ungetüme bis Breitensee, wo das Hauptquartier
des Erzherzogs sich befand, vorgedrungen, als Erzherzog
Karl die Fahne des weichenden Regimentes Zach ergreift,
und dasselbe wieder in die Schlacht zurück führt. Diese Hel
denthat verfehlte auch ihre Wirkung nicht, denn wie ein
begeisternder elektrischer Strahl durchzuckte sie die Herzen
der Krieger, und ein allgemeiner Freudenruf erscholl. Muthig
stürzten sie neuerdings auf den Feind, und entrissen ihm den
bereits errungenen Vortheil
wieder.“469Bemerkenswert
an diesem Text ist der Wechsel der
Erzähl-zeit,
die plötzlich mitten im Satz genau bei der
Beschrei-bung
des Hochreißens der Fahne ins Präsens übergeht
und so den Augenblick literarisch herauslöst und
gegen-wärtig
setzt. Reduktion und Isolierung der Handlung auf
einen Kulminationspunkt und einen Helden findet sich
auch in Theodor Körners Gedicht Auf dem Schlachtfelde
von Aspern (1812):
Abb. 196: Detail aus einem Blatt mit Skizzen zu Wand- und Deckengemälden:
Entwurf zu dem Gemälde „Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern“;
Bleistift, geripptes Papier, gesamt 260 x 330 mm; Universität Graz, Institut
für Kunstgeschichte. Abb. 197: Detail aus dem zweiten Gesamtentwurf für die Wand- und
Deckengemälde: Bildfeld „Erzherzog Karl. 1809“; Bleistift, geripptes Papier,
gesamt 418 x 569 mm; Nö. Landesmuseum, Inv. Nr. 7000/348.
469 Ziegler (1838 – 1840) Bild Nr.
180.470
Vgl.: Telesko (2006) p.
376.471
Zu Kraffts Schlachtengemälde Erzherzog Karl mit der Fahne des
Regiments Zach in der Schlacht bei Aspern, 1809 siehe
Schneemann-Frodl
(1998) p. 30 – 35.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306