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134 gleichsam vorweggenommen und zugleich der heroische
Moment mit einem menschlich-leidvollen
kontrastiert.Dieses
Muster wiederholt sich noch einmal im
Vor-dergrund,
wo links entschlossen voranschreitende
öster-reichische
Soldaten einem fliehenden Franzosen rechts
im Bild gegenübergestellt sind; die Masse der Heere ist
dabei so verteilt, dass kein Zweifel an der Unterlegenheit
der napoleonischen Truppen besteht.
Die Figur des österreichischen Infanteristen in der
linken Bildecke allerdings fügt sich nicht in dieses
Schema – kein vorwärtsschreitender Kämpfer wird hier
gezeigt, sondern ein in seiner Bewegung innehaltender
Mann, der angesichts des in panischem Schrecken
flüch-tenden
Gegners offenbar sein Gewehr sinken lässt. Beide
Figuren sind durch das Fehlen eines Teils ihrer Uniform,
der Kopfbedeckung, weniger eindeutig den Kategorien
Kamerad/Feind zuzuordnen, ihre Interaktion verweigert
von Arcole von Jean-Antoine Gros (entstanden 1801),
vorgeprägt.
Auch in seiner späteren großformatigen Komposition
zu dem Thema, die er 1819 im Auftrag der Wiener Bürger
im Invalidenhaus ausführte, nahm Krafft Anleihe bei
fran-zösischen
Schlachtendarstellungen von Jean-Antoine
Gros (Napoleon auf dem Schlachtfeld von Eylau, 1808)
oder François Gerard (Schlacht bei Austerlitz, 1808), was
sich besonders in der Verteilung der Figuren im Raum,
der Vordergrundstaffage und dem Offenlassen einer
Diagonalen durch das Bild äußert. Krafft schuf hier die
ersten monumentalen Schlachtenbilder im
deutschspra-chigen
Raum, wo bis dahin die barocke
Darstellungstra-dition
kleinformatiger vielfiguriger Kompositionen in der
Vogelperspektive weitergeführt worden war. Wie Vancsa
anmerkt, findet dabei durch die Aneignung der
künstle-rischen
Sprache des Gegners eine sichtbare Übertragung
der Machtstellung des Feindes auf die eigene Position
statt.
Dieses durch Stiche und Lithographien über ganz
Europa verbreitete und von Krafft in die österreichische
Kunst eingeführte neue Gestaltungsprinzip der
Schlach-tendarstellung
setzt sich in Leopold Kupelwiesers
Wand-gemälde
Die Schlacht bei Aspern (1809) unmittelbar fort.
Kupelwieser übernahm hier im Wesentlichen die
Bild-idee
von Kraffts erster Fassung seiner Erzherzog
Karl-Darstellung
mit dem die Fahne hochreißenden
Feld-herrn
im Mittelpunkt, entschlossen ausschreitenden
Soldaten an seiner Seite und der brennenden Kirche
von Aspern im Hintergrund. Auch in der Nüchternheit
und Schärfe der Schilderungen von Einzelheiten lassen
sich große Ähnlichkeiten erkennen, dennoch setzte
Kupelwieser merklich andere Akzente als seine
Vorgän-ger.
Er überwand die denkmalhafte Überhöhung der
französischen Vorbilder, und deutlicher noch als Krafft
stellte er einen szenischen Zusammenhang zwischen
dem Feldherrn und der umgebenden Schlachtenszene
her. Anders als bei Krafft, wo die Aktion zugunsten des
Sich-Präsentierens der Hauptfigur stillgelegt scheint,
wird Kupelwiesers Gemälde von der unmittelbaren
Dynamik des Geschehens beherrscht, die
Porträt-Funk-tion
tritt dabei in den Hintergrund. Obwohl Erzherzog
Karl von zahlreichen Soldaten umgeben ist, deren Mienen
und Gestik mit großer Sorgfalt ausgeführt sind, zerfällt
die Komposition nicht in eine Aufreihung von
Einzel-erscheinungen,
sondern kulminiert in einem
dramati-schen
Höhepunkt, dem fruchtbaren Moment, in dem
Wesen und Fortgang der Handlung komprimiert werden.
In den Figuren der beiden einander gegenübergestellten
Protagonisten – dem mitreißend die Fahne
hochschwin-genden
Erzherzog und dem zu Tode getroffenen
fran-zösischen
Offizier – wird der Ausgang der Schlacht Abb. 198: „Erzherzog Carl in der Schlacht bei Aspern, comp. von
Geiger“; Bildquelle: Ziska (1847).
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306