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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
Seite - 195 -
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195 reflektiert diesen modernen Ansatz in der Geschichts- und Gesellschaftsauffassung besonders explizit. Kupel-wieser setzte das Ereignis, das den Beginn einer kurzen Phase konstitutioneller Monarchie und bürgerlicher Mit-bestimmung in Österreich markierte, mit seiner eigenen Person in Bezug, indem er sich und Mitglieder seiner Familie in die Volksmenge hineinmalte und so gleichsam am Geschehen direkt teilnahm. (Abb. 275)In der Thematisierung von Verfassung und Gesetzge-bung durch den Herrscher ist das Aquarell nicht nur kompositionell, sondern auch inhaltlich der Darstellung Franz I. übergibt seinen Völkern das bürgerliche Gesetzbuch deutlich verwandt. „Das vorderste dieser Bilder, welches über dem Platze des Präsidenten zu stehen kömmt, ist Kaiser Franz I., als der erste Kaiser von Österreich; [ihn] glaubt der Unterzeichnete am besten dadurch von allen übrigen hier erscheinenden stellen, wird dessen Differenz zu einem anderen Phäno-men bezeichnet, zwischen diesen Phänomenen können dann aber Beziehungen – etwa der Kausalität oder der Dependenz – hergestellt werden.711 So ist die Abgrenzung nach außen in dem Freskenzyklus dramatisch in der Gegenüberstellung der Kämpfe gegen die Türken und Franzosen verdichtet. Dennoch übernimmt Kupelwieser Bildformeln des vorrevolutionären Frankreichs und inte-griert sie in seine Kompositionen – durch die neue Kon-textualisierung entstehen dabei Bedeutungsverschiebun-gen und -umkehrungen im Dienste Kupelwiesers eigener patriotischer Überzeugung. In seinem Ereignisbild Erz­ herzog Karl in der Schlacht von Aspern bezieht sich Kupel-wieser deutlich auf das entsprechende Gemälde von Krafft, welches wiederum an Davids Napoleon überquert den Saint Bernard anschließt. Auch in der Schwurszene des Gemäl-des Das Aufgebot von 1797 wird ein Bildtypus aufgegrif-fen, den David mit seinem Schwur der Horatier geprägt hat und der den Opferwillen der Bürger versinnbildlicht. Unter dem Leitmotiv des wehrsamen patriotischen Bürgers wurde auch in der zeitgenössischen Literatur das tapfere Verhalten der Wiener beim Aufgebot 1797 bzw. 1805 beim Einzug der Franzosen dem Einsatz der Bürger während der Belagerung durch die Türken 1683 gegenübergestellt.In diesem Motivkreis betritt ein neuer, nämlich der bürgerliche Held die Bühne der Geschichte. Das Schick-sal eines Landes wurde nicht mehr nur als ein vom Herr-scher gelenktes verstanden, insofern integrierte Kupel-wieser, seiner persönlichen politischen Einstellung nach kaisertreu und konservativ, doch eine neue Geschichts-auffassung, die über die rein dynastisch orientierte Kon-zeption hinausgeht. Das Wahrnehmungsfeld wurde nun nicht mehr auf eine Gruppe von Führungspersönlich-keiten beschränkt, sondern gesteht auch den Bürgern Handlungs- und damit Geschichtsfähigkeit zu. Kupel-wiesers Darstellungen beziehen das Volk mit ein, und zwar nicht nur als Empfänger von Gnaden der Herrscher, son-dern auch als aktive, schaffende und formende Kraft: Die Menschen werden als Handwerker, Wissenschaftler, Studenten, Beamte, patriotische Bürger und Soldaten gezeigt. „Wenn die Prozesse der Aufklärung, der Historisierung des gesellschaftlichen Bewusstseins und der tendenziellen Schaf­ fung einer Staatsbürgergesellschaft einmal begonnen haben, kann sich der damit verbundenen Symbolsprache nicht ein­ mal der vormärzliche Absolutismus österreichischer Prägung entziehen […]“712, schreibt Bruckmüller.Kupelwiesers Aquarell Kaiser Ferdinand verleiht seinen Völkern die Constitution, das in direktem Zusammenhang mit dem Statthalterei-Zyklus im Jahr 1849 entstand, 711 Wagner (1998 B) p. 56.712 Bruckmüller (1996) p. 363. Abb. 275: „Kaiser Ferdinand verleiht seinen Völkern ,Constitution‘ und ,Das freie Wort‘“; Aquarell; Privatbesitz, Bildquelle: Nö. Landesmuseum, Kupelwieser-Archiv (dort als Kopie).
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Das zusammengedrängte Gedenken
Autor
Sigrid Eyb-Green
Verlag
Bibliothek der Provinz
Ort
Weitra
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Abmessungen
24.0 x 27.0 cm
Seiten
312
Schlagwörter
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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