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reflektiert diesen modernen Ansatz in der Geschichts-
und Gesellschaftsauffassung besonders explizit.
Kupel-wieser
setzte das Ereignis, das den Beginn einer kurzen
Phase konstitutioneller Monarchie und bürgerlicher
Mit-bestimmung
in Österreich markierte, mit seiner eigenen
Person in Bezug, indem er sich und Mitglieder seiner
Familie in die Volksmenge hineinmalte und so gleichsam
am Geschehen direkt teilnahm. (Abb.
275)In
der Thematisierung von Verfassung und
Gesetzge-bung
durch den Herrscher ist das Aquarell nicht nur
kompositionell, sondern auch inhaltlich der Darstellung
Franz I. übergibt seinen Völkern das bürgerliche Gesetzbuch
deutlich verwandt.
„Das vorderste dieser Bilder, welches über dem Platze des
Präsidenten zu stehen kömmt, ist Kaiser Franz I., als der
erste Kaiser von Österreich; [ihn] glaubt der Unterzeichnete
am besten dadurch von allen übrigen hier erscheinenden
stellen, wird dessen Differenz zu einem anderen
Phäno-men
bezeichnet, zwischen diesen Phänomenen können
dann aber Beziehungen – etwa der Kausalität oder der
Dependenz – hergestellt werden.711 So ist die Abgrenzung
nach außen in dem Freskenzyklus dramatisch in der
Gegenüberstellung der Kämpfe gegen die Türken und
Franzosen verdichtet. Dennoch übernimmt Kupelwieser
Bildformeln des vorrevolutionären Frankreichs und
inte-griert
sie in seine Kompositionen – durch die neue
Kon-textualisierung
entstehen dabei
Bedeutungsverschiebun-gen
und -umkehrungen im Dienste Kupelwiesers eigener
patriotischer Überzeugung. In seinem Ereignisbild Erz
herzog Karl in der Schlacht von Aspern bezieht sich
Kupel-wieser
deutlich auf das entsprechende Gemälde von Krafft,
welches wiederum an Davids Napoleon überquert den Saint
Bernard anschließt. Auch in der Schwurszene des
Gemäl-des
Das Aufgebot von 1797 wird ein Bildtypus
aufgegrif-fen,
den David mit seinem Schwur der Horatier geprägt
hat und der den Opferwillen der Bürger versinnbildlicht.
Unter dem Leitmotiv des wehrsamen patriotischen Bürgers
wurde auch in der zeitgenössischen Literatur das tapfere
Verhalten der Wiener beim Aufgebot 1797 bzw. 1805 beim
Einzug der Franzosen dem Einsatz der Bürger während
der Belagerung durch die Türken 1683
gegenübergestellt.In
diesem Motivkreis betritt ein neuer, nämlich der
bürgerliche Held die Bühne der Geschichte. Das
Schick-sal
eines Landes wurde nicht mehr nur als ein vom
Herr-scher
gelenktes verstanden, insofern integrierte
Kupel-wieser,
seiner persönlichen politischen Einstellung nach
kaisertreu und konservativ, doch eine neue
Geschichts-auffassung,
die über die rein dynastisch orientierte
Kon-zeption
hinausgeht. Das Wahrnehmungsfeld wurde nun
nicht mehr auf eine Gruppe von
Führungspersönlich-keiten
beschränkt, sondern gesteht auch den Bürgern
Handlungs- und damit Geschichtsfähigkeit zu.
Kupel-wiesers
Darstellungen beziehen das Volk mit ein, und zwar
nicht nur als Empfänger von Gnaden der Herrscher,
son-dern
auch als aktive, schaffende und formende Kraft:
Die Menschen werden als Handwerker, Wissenschaftler,
Studenten, Beamte, patriotische Bürger und Soldaten
gezeigt.
„Wenn die Prozesse der Aufklärung, der Historisierung des
gesellschaftlichen Bewusstseins und der tendenziellen Schaf
fung einer Staatsbürgergesellschaft einmal begonnen haben,
kann sich der damit verbundenen Symbolsprache nicht ein
mal der vormärzliche Absolutismus österreichischer Prägung
entziehen […]“712,
schreibt
Bruckmüller.Kupelwiesers
Aquarell Kaiser Ferdinand verleiht seinen
Völkern die Constitution, das in direktem Zusammenhang
mit dem Statthalterei-Zyklus im Jahr 1849 entstand, 711 Wagner (1998 B) p.
56.712
Bruckmüller (1996) p. 363.
Abb. 275: „Kaiser Ferdinand verleiht seinen Völkern ,Constitution‘ und
,Das freie Wort‘“; Aquarell; Privatbesitz, Bildquelle: Nö. Landesmuseum,
Kupelwieser-Archiv (dort als Kopie).
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Buch Das zusammengedrängte Gedenken"
Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306