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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
Seite - 196 -
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196 dem Namenspatron von Karl VI., Karl Borromäus gewid-met ist, war eine Art Staatsheiligtum des Barock, mit zahl-reichen ikonographischen Querbezügen zu Rom und damit dem Kaisertum an sich. Um die überregionale Bedeutung dieses Sakralbaus zu betonen, wurde ein unga-rischer Bischof zur Weihe herangezogen, die Betreuung wurde dagegen einem in Prag ansässigen Orden über-tragen. Eben diese Übergabe sollte – laut dem ersten Pro-grammentwurf – im Statthalterei-Zyklus dargestellt werden: „Karl VI. glaubt der Gefertigte darstellen zu sollen, welcher den Übergang in die Lothringische Linie bezeichnet und als kunstliebender Regent die Zierde Wiens, die Karlskirche erbaut hat und sie den Kreuzherren übergibt.“717 Das Gemälde wurde nicht in Fresko ausgeführt, aber es existiert ein Aquarellentwurf dazu, der die Übergabe, mit dem Bauwerk im Hintergrund, darstellt.Ein noch zentraleres, Zugehörigkeit versicherndes bauliches Symbol und architektonischer Ausdruck von Identität ist der Stephansdom. Von Rudolf dem Stifter wurde er zum zentralen Heiligtum seiner Hauptstadt weiter ausgebaut, wofür unter anderem die Übertragung des Koloman-Steines in die neue Kirche spricht, weiters die Größe, die künstlerische Ausstattung, die Funktion als Grablege für Mitglieder des Herrschergeschlechts und für andere bedeutende Persönlichkeiten. Die beiden als Heidentürme bekannten, in die Zeit Heinrich Jasomirgotts zurückgehenden Türme der Westfassade sah Rudolf dabei bewusst als Monument der Kontinuität von der Baben-berger- zur Habsburger-Linie und damit als Legitimation seiner Herrschaft und Wien als Bischofssitz. Das Bauwerk gewann mit der Zeit zusätzlich an Deutungsmöglich-keiten und an narrativem Potential, es transformierte geschichtliche Prozesse und wurde zum Träger und Aus-druck einer verdichteten Vergangenheit. So wurde etwa das Turmzimmer zu einem Nebenschauplatz der drama-tischen Ereignisse des Jahres 1683: Nach einer Episode der Wiener Lokalgeschichte saßen Starhemberg und Kol-lonitsch während der letzten Wochen der Belagerung immer wieder lange im Stephansturm auf einer steiner-nen Bank, um das türkische Lager zu beobachten und nach dem Entsatzheer Ausschau zu halten. Ein Stich von Leopold Beyer nach einem Gemälde von Anton Perger zeigt die beschriebene Szene und wurde 1849 im Verein zur Beförderung der Bildenden Künste in Wien zur Ver-losung gebracht. Die in der Denkmalpflege mit dem Ausdruck gewach­ sener Zustand bezeichnete Entwicklung entlang einer Herrschern auszuzeichnen, dass er vor dem Thron steht aus welchem er sich gleichsam soeben erhoben; er hält das Gesetzbuch in der Hand geöffnet seinen Völkern vor, welche die Wahrheitsliebe und Gerechtigkeit dieses Monarchen bezeichnet, dessen Wille und Handlungen stets offen und fest und aus welchen jeder Unterthan selbst sein Lob oder Tadel wie in einem Spiegel lesen konnte; seine Völker umge­ ben ihn, treu und liebend, im Hintergrund sieht man das comagenische Gebirge und Wien.“713In Kupelwiesers Beschreibung des Bildes werden beson-ders die Verdienste Franz’ I. um die Gesetzgebung betont, ganz im Sinne seines Wahlspruchs iustitia regnorum fun­ damentum. Schon in dem Gemälde, das Leopold den Glor-reichen im Taiding zu Tulln zeigt, interpretierte Kupel-wieser den Herrscher als gerechten Richter, der seine Untertanen durch Gesetze fördert.714 Gesetzgebung und Verwaltung sind auch zentrale Momente in der – im ers-ten Programmentwurf eigentlich als zentrales Mittelbild gedachten – Szene der Einsetzung der niederösterreichi-schen Regierung. Dazu schrieb Kupelwieser: „Eine andere Zeichnung zum Mittelbild zeigt in allegorischer Darstellung den Kaiser Ferdinand I., welcher die nied. öst. Regierung einsetzt – diesen Gegenstand hat der E[ndes] G[efertigte] darum gewählt, weil F[erdinand] I. die Regie­ rung in ihrer jetzigen Form begründet und gleichsam selbst als Praeses den schriftlichen Ausarbeitungen vorgestanden, weil von dieser Zeit an die Art des Regierens, welche vordem bloß auf Schwert und Bischofsstab gestellt war – der Verkehr auf schriftliche Weise eingeführt wurde […].“715 Die Statthalterei war ein vom Landesfürsten eingerichte-tes Zentralverwaltungsorgan, das ihn in den jeweiligen Ländern zu vertreten hatte und in Konkurrenz zur stän-dischen Bürokratie stand. Diese Zentralverwaltung bot die Basis für die im 18. Jahrhundert massiv fortgeführte bürokratische Penetration und in weiterer Folge auch für die franziszeische Hofratsnation. Durch gezielte Adelung wurde eine starke Identifikation der Beamten mit der Monarchie und einer höfisch-bürokratischen Welt geschaffen, die die österreichische Identität langfristig prägen sollte. In Ansätzen zitiert Leopold Kupelwieser in seinem Statt-halterei-Zyklus auch im weiteren Sinne bürgerliche Iden-tifikationskonfigurationen wie Kultur und Bildung, reprä-sentiert durch den Bau des Stephansdoms und die Gründung der Universität. Statt der Darstellung des Ste-phansdoms mit seinen Gründern hatte Kupelwieser ursprünglich als Bildthema Die Übergabe der Karlskirche an die Kreuzherren geplant. Der Bau der Karlskirche war ein Versuch, symbolisch die Legitimität der habsburgi-schen Herrschaft über den ganzen Bereich der Monar-chia Austriaca zu untermauern.716 Die Karlskirche, die 713 Programmentwurf I, siehe Anhang. 714 Ebd. 715 Ebd.716 Vgl.: Bruckmüller (1997) p. 19f.717 Programmentwurf I, siehe Anhang.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Das zusammengedrängte Gedenken
Autor
Sigrid Eyb-Green
Verlag
Bibliothek der Provinz
Ort
Weitra
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Abmessungen
24.0 x 27.0 cm
Seiten
312
Schlagwörter
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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