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262 Teilweise setzte Schnorr den Hintergrund zusätzlich
farb-lich
ab, um bereits auf dem Karton durch Farbperspektive
eine räumliche Tiefe zu erreichen, vor der sich die
Figu-ren
besser abheben.928 Sein Bruder Ludwig Schnorr von
Carolsfeld entwickelte eine ähnliche Mischtechnik; auf
seinen Kartons für die Landhauskapelle in Wien sind die
Konturen in zarten, mit Pinsel aufgetragenen
Tusche-linien
angelegt; die Formen modellierte er mit
Tusche-Lavierungen,
Rötel und Bleistift und akzentuierte die
Zeichnung mit wenigen Weißhöhungen in Gouache.929
Im Buch von der Frescomalerei wird die Ausführung der
Kartonzeichnung genau beschrieben:
„Ist nun die Zeichnung nach allen Punkten vollendet, so wird
sie ausgeführt, bei welcher Ausführung es zweierlei Manieren
gibt. Die erste führt nur den Contur aus, die zweite führt
aber die ganze Zeichnung in Schatten und Licht aus. Bei der
ersten Art werden die Conturen mittelst eines Pinsels mit
gutem schwarzen Tusch umzogen, wobei man jedoch den
Kohlestaub etwas von der Zeichnung abblasen muss, weil
sonst die Zeichnung nicht rein würde. Die Zeichnung darf
man nicht abwischen, weil sonst der Contur verloren gehen
würde. Erst nach ungefähr 2 Stunden, wenn die Zeichnung
hinlänglich trocken, werden die Striche der Kohle durch
Abwischen entfernt. Sollte das Papier nicht rein dabei wer
den, so darf man nur ein Stück Semmel nehmen, worauf es
ganz bestimmt rein wird.“930
In vergleichbarer Weise arbeitete Ludwig Schnorr von
Carolsfeld bei seinen Kartons für die
Niederösterreichi-sche
Landhaus-Kapelle, wobei er die Vorzeichnung statt
mit Kohle mit Bleistift
ausführte.„In
der zweiten Manier werden die Conturen im Schatten
mit schwarzer Kreide und ledernen Estampen ausgeführt
und die Lichter aufgespart, welche sodann nach Vollendung
des Ganzen mit einem weissen Pastellstift hinzugearbeitet
werden. Die zweite Methode ist viel zeitraubender als die
Erkalten öffnet, wird man darin die schönsten und zum
Zeichnen tauglichsten Kohlen finden. Mit diesen Kohlen
entwirft man nun das verlangte Bild, und wischt, wenn es
nicht nach Wunsch ausfallen sollte, mit einem Feuer
schwamm922 das Betreffende wieder ab.“923
Von den Anfängen der Kartonzeichnung bis ins 20.
Jahr-hundert
scheint die Kohle das beliebteste
Zeichen-medium
in Zusammenhang mit Karton gewesen zu. Noch
1923 schreibt Joseph Meder in seinem Werk über die
Geschichte der Handzeichnung:
„Insbesondere war das Zeichnen der oft viele Quadratmeter
umfassenden Kartons ohne Kohle nicht mehr denkbar. […]
Die überlebensgroßen Figuren bedingten eine breite Kontur
und rasches, grobes Herausarbeiten der Plastik.“924
Die Eigenschaften des Kohlestifts wurden von Künstlern
des 19. Jahrhunderts in ihren Kartonzeichnungen äußerst
vielfältig eingesetzt. Es wurden sowohl Konturen
ange-legt,
als auch Flächen in allen Schattierungen durch
Ver-wischen
oder Vermalen mit dem nassen Pinsel erzeugt;
durch nachträgliches Abnehmen der losen Kohlepartikel
mit Wischern aus Leder, Feuerschwämmen oder weichem
Brot konnten weiche Übergänge ebenso geschaffen
wer-den
wie helle Partien und Höhungen.
Sowohl Johann Friedrich Overbecks Kartons für die
Kathedrale von Djakovo, als auch Peter Cornelius’
Kar-tons
für die Ausstattung der Glyptothek in München sind,
wie Kupelwiesers Kartons für die Statthalterei-Fresken,
mit Kohle gezeichnet, während Joseph von Führich seine
Kartons für die Johann-Nepomuk-Kirche in schwarzer
Kreide ausführte.
Moritz von Schwind bediente sich bei der Ausführung
seiner Kartons in der Regel einer Mischtechnik aus Kohle
und schwarzer Kreide, manchmal lavierte er die
großfor-matigen
Zeichnungen zusätzlich.925 Seine Kartons für das
Treppenhausfresko der Karlsruher Kunsthalle modellierte
er durch Wischen, Radieren und Vermalen der Kohle mit
einem feuchten Pinsel genau durch, konkretisierte dann
die Umrisse durch einen stärkeren, dunkleren Strich und
setzte Höhungen und Lichter durch Herausradieren.926
Julius Schnorr von Carolsfeld arbeitete auf seinen
Kartons ebenfalls in Mischtechnik. Er zeichnete zunächst
die Linien mit Pinsel und Tusche, modellierte die
Zeich-nung
durch transparente Lavierungen und fügte
schließ-lich
mit weichem und hartem Bleistift oder schwarzer
Kreide Details hinzu. In einem Brief an Quandt vom
8. März 1822 schreibt er zu seiner Zeichentechnik:
„Soll ich Ihnen nun noch etwas über meine Arbeiten schrei
ben, so kann ich Ihnen sagen, daß mein großer Carton
bereits fertig ist […]. Wenn ich meine Figuren mit einiger
Sorgfalt mit Kreide aufgezeichnet habe, so kann ich in wenig
Tagen mit der Sepia ungeheuer viel ausrichten.“927 922 Der Feuerschwamm wurde zur Feuererzeugung (Zunder) aus
Baumschwämmen vor allem von Birken, Buchen und Eichen auf
folgende Weise zubereitet: Die Schwämme wurden zuerst in
scharfer Aschenlauge mürbe gebeizt und dann getrocknet,
gerie-ben
und geklopft. Damit er besser Feuer fange, wurde er häufig
mit Salpeterlauge oder einer Lösung von Bleizucker getränkt.
Vgl.: Brockhaus Bilder
Conversations Lexikon, 2. Bd., Leipzig 1838,
p. 33.
923 Das Buch von der Frescomalerei (ohne Autor, 1846) p.
84.924
Meder (1923) p.
103.925
Pursche (1998) p.
30.926
Ebd. p.
30.927
Brief II, 9 an Quandt, Rom 8.3.1822, zit. nach: Kuhlman-Hodick
(1999) p. 43, Anm.
36.928
Pursche (1998) p. 30, Anm.
35.929
Fischer (2011) p. 43ff.
930 Das Buch von der Frescomalerei (ohne Autor, 1846) p. 85.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306