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272 Es wird angenommen, dass Kupelwieser die Wand- und
Deckengemälde im Marmorsaal größtenteils freskal
gebunden ausführte. Zwar konnten von den originalen
Freskomalereien keine Proben entnommen werden, aber
bei den Analysen einer Malschichtprobe des Modellos
konnte kein Hinweis auf ein Bindemittel gefunden
wer-den.
Auch waren die Pigmente sowohl in den Proben der
Farbspritzer auf den Kartons als auch in denen des
Modellos mit Kalk ausgemischt. In den Farbspritzern
lie-gen
die Pigmente ebenfalls ohne nachweisbares
organi-sches
Bindemittel vor.
Die Freskomalerei war ab den dreißiger Jahren des
19. Jahrhunderts zunehmend von anderen
Wandmalerei-Techniken
abgelöst worden. In Deutschland begann der
Chemiker Johann Nepomuk Fuchs bereits in den 1820er
Jahren mit alternativen Materialien, vor allem Wasserglas,
zu experimentieren, um die Arbeit bei der Ausführung
von Wand- oder Deckengemälden zu erleichtern und die
Haltbarkeit der Kunstwerke zu verbessern. Sein
Mitarbei-ter,
der Münchner Künstler Schlotthauer, richtete nach
einer intensiven Auseinandersetzung mit der
pompejani-schen
Wandmalerei in seinem Atelier ein Chemie- und
Entwicklungslaboratorium für Wandmalereitechniken
ein. Er entwickelte als Erster um 1846985 eine Methode zur
nachträglichen Fixierung der Malerei mit Wasserglas, das
mittels Fixierspritze eingebracht wurde.986
Leopold Kupelwieser traf Schlotthauer, den er
wahr-scheinlich
bereits von früheren Aufenthalten kannte, bei
seinem Besuch in München 1850 wieder. In einem Brief
an Erzherzog Ludwig schreibt er:
„[…] und ich fand sehr liebevolle Aufnahme, wobey gegen
seitige Mitteilungen gemachter Erfahrungen und Vorsätze zu
neuen Versuchen die Gegenstände unserer langen Bespre
chungen waren, von diesen allen verdanke ich, wie überhaupt
alle Fresco Maler dem liebenswürdigen sehr erfahrenen
Schlottauer sehr viel, er hat mir schon früher Manches gesagt
und war sehr nützlich gewesen und hat dießmal in aller Liebe
seinen Reichthum und Erfahrung an mich verschwendet,
mehr wie ich bemerkte als an die Münchner Maler selbst,
Die Fabrik war 1827 gegründet worden und beschäftigte
40 – 50 Arbeiter, die 80 – 100 Zentner Farbwaren (etwa
5600 kg)978 und auch Bleistifte erzeugten.979
Kupelwieser dürfte zu der Zeit seine Farben zum
Fresko-Malen
noch selbst bereitet haben. In den Erinnerungen
seiner Tochter Elisabeth findet sich dazu folgender
Bericht:
„Besondere Sorgfalt widmete Kupelwieser den von ihm ver
wendeten Farben, welche er sich häufig selbst bereitete. In
den letzten zehn Jahren seines Lebens nahm er sich dazu
nicht mehr die Zeit. Neue Erfindungen auf dem Gebiete der
Farbchemie ließen ihm das unnötig erscheinen. Aber jetzt,
nach einer Reihe von Jahren, erkennt man wohl, daß
Kupelwieser’s Bildwerke der früheren Periode mit den selbst
bereiteten Farben unvergleichlich klarer im Colorit sich
erhalten haben als jene seiner späteren Zeit, in der er sich
vielfach neuer Farben
bediente.“980Diese
Beobachtung deckt sich mit den Aussagen von
Rupert Feuchtmüller, der anlässlich der Ausstellung zum
100-jährigen Bestehen der Fresken schreibt:
„Die Restaurierungen erstreckten sich auf eine gründliche
Reinigung und nur auf geringfügige Retuschen, da die hand
werklich ausgezeichnet gearbeiteten Fresken die Zeit ohne
Schaden überdauert haben.“981
Farbmühlen gab es bereits seit dem frühen 19.
Jahrhun-dert.
Sie gehen auf eine Erfindung von Lemoine aus dem
Jahr 1822 zurück, der zusammen mit Meurice in Paris
eine Dampfmaschinen-betriebene Farbmühle führte.
1830 schreibt Keeß:
„Zum Gebrauche der Mahler […] kommen viele Farben
schon zugerichtet in den Handel. Eine Hauptzubereitung
derselben ist das Reiben. Man hat zur Beschleunigung des
selben und zur Schonung der Gesundheit der Arbeiter […]
schon längst eigene Farbenmühlen hergestellt
[…].“982Auch
in Österreich fasste dieses Herstellungsverfahren
bald
Fuß:„Joh.
Siedler zu Floridsdorf am Spitz bey Wien erhielt den
24. April 1826 ein 5 jähr. Priv. auf die Erfindung einer
Maschine, Siedler’sche Reib Mahl und Pulverisiermaschine
genannt, wodurch Öhl Leim Firniß und Wasserfarben im
trockenen und nassen Zustande gerieben, dann alle Gattun
gen mineralischer und vegetabiler Stoffe zermahlen und
gepulvert werden
können.“983Friedrich
Lafite & J.L. Barach in Wien erfanden eine „epi
cykloidische Mühle zum Vermahlen aller Farben“984 und
erhielten dazu ein Privileg. 978 1 Handelspfund betrug in Wien um 1840 560 g. 1 Zentner = 100
Pfund = 5600kg. Trapp (1992) p.
235.979
Bericht über die dritte allgemeine österreichische
Gewerbe-Ausstellung
in Wien 1845, 3. Lieferung, Wien 1845, p.
940.980
Kupelwieser (1902) p.
14.981
Feuchtmüller (1950) p. 41.
982 Keeß; Blumenbach (1829 – 1830) p.
749.983
Ebd. p.
749.984
Ebd. p. 751. Epizykloidische Mühlen beruhen auf einer
Konstruk-tion
aus mehreren Zahnrädern und
Achsen.985
Mayers Konversationslexikon, 4. Auflage 1888 – 1890, Vol. 15, p.
298.986
Vgl.: Schiessl (1985) p. 158ff.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306