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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
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Armbewegung und himmelwärts gerichtetem Blick, „von wo ihr stets Heil und Segen zuflossen“.242 Insofern über-nimmt die Darstellung die Funktion des zur Zeit der Frei-heitskriege beliebten Themas von Rudolf mit dem Priester, welches die Kraft des Hauses Habsburg auf seinen uner-schütterlichen Glauben zurückführt. Im Unterschied dazu ist das Thema bei Kupelwieser jedoch viel allgemeiner aufgefasst, indem nicht nur Herrscher der Habsburger- sondern auch der Babenbergerdynastie dargestellt werden und zugleich auch das Kunstpatronat beider Herrscher-familien akzentuiert wird. Zudem ist der Stephans dom nicht nur als Verweis auf die katholische Kirche zu lesen, sondern zugleich auch als herausragende künstlerische Leistung, als monumentaler Ausdruck der Unabhängig-keit und des neuen Selbstbewusstseins sowohl der Herr-scherdynastie als auch der Stadt und ihrer Bürger.Rudolfs Positur mit erhobenen Armen und nach außen gewendeten Handflächen zitiert zugleich das Motiv des in den Himmel aufsteigenden Christus, wie es etwa Raffael in seinem Gemälde Die Verklärung Christi formulierte. Eine derartige Nobilitierung eines Herr-schers findet sich auch in anderen Wandgemälden des Zyklus, wie beispielsweise in der Darstellung Leopolds des Glorreichen in der ikonographischen Formulierung eines beim Weltgericht thronenden Gottvaters. Besonders deutlich erscheint dieses Phänomen in einer Vorstudie zu dem Gemälde, die ein Brustbild des Herrschers mit ebenmäßigen, ruhigen und in ihrer Zeit-losigkeit überhöhten Gesichtszügen und mit erhobenen Armen zeigt. Rudolfs Porträt könnte, aus dem Kontext genommen, als Christus-Darstellung gelesen werden. (Abb. 103) Darstellungsformen der Gründung des Stephans­ doms in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Leopold Kupelwieser folgt in seinem Gemälde Die drei Erbauer der St. Stephanskirche nicht den lange Zeit gülti-gen Darstellungstraditionen, die stets entweder Herzog Jasomirgott oder Rudolf IV. durch einen Besuch auf der Baustelle von St. Stephan als Stifterfigur inszenieren. Carl Ruß widmete dem Bau des Stephansdoms zwei Blätter in seinem Zyklus von Feder- und Pinselzeichungen zur Geschichte Österreichs, die diese beliebte Darstellungs-form aufnehmen. Das erste Blatt mit dem Titel Heinrich In der Gestaltung der Krone und des Mantels nahm Kupelwieser möglicherweise das Gemälde von Hans Burgkmair d. Ä. zum Vorbild, das Friedrich ebenfalls im Profil, mit der für ihn angefertigten Mitra-Krone und in einem Mantel aus Goldbrokat zeigt. Dabei weist Kupel-wiesers Darstellung größere Ähnlichkeit mit der späteren, ca. 1510 entstandenen Version des Porträts auf, welche sich in Linz239 befindet und auf der die Schale der Mitra nicht mit rotem Samt – wie in der Wiener Version von 1468 – sondern mit Goldbrokat bezogen ist. Die Säule, an der Friedrich lehnt, ist mit seinem Wahl-spruch AEIOU versehen und trägt die Jahreszahl MCDXC. Das Jahr 1490 scheint in zeitgenössischen Abhandlungen zur Geschichte des Stephansdomes in den meisten Fällen nicht auf. In einem Führer aus dem frühen 19. Jahrhun-dert, der wahrscheinlich vor dem Dom erhältlich war, findet man allerdings folgenden Hinweis: „Das eine Dach vorne, hinter den sogenannten beyden alten Thürmen (Heidenthürmen) bis zu den zwey großen Thürmen ist 17 Klafter 3 172 Schuh hoch […]. Das andere niedrigere Dach über dem hintern Theile der Kirche (nach dem deut­ schen Hause zu) ist 11 Klafter 1 Schuh hoch. Herzog Rudolf der IV ließ das erstere hohe, das niedrigere Dach aber Kai­ ser Friedrich III. aufbauen. Zu diesen beyden Dächern führen zwey steinerne Schneckenstiegen, von denen man auf sechs hölzernen Stiegen bis zu dem höchsten Gipfel des höhern Dachs kömmt, auf dessen auswendigen sogenannten Forsten die Jahreszahl 1490 eingehauen ist, vermuthlich, um anzu­ zeigen, daß in diesem Jahre die beyden Dächer mit einander in Verbindung gebracht worden.“240 Da Kupelwieser im Zuge der Vorarbeiten für seinen Zyk-lus den Dom besuchte, wie sein Skizzenbuch aus der Zeit belegt, besichtigte er möglicherweise auch die beschrie-benen Stiegenaufgänge und sah auf dem Dachfirst jene eingemeißelte Jahreszahl. Unter den in dieser Arbeit untersuchten Autoren geht nur Ziska auf dieses Datum ein: „Eine Jahreszahl 1490 auf dem Mauerfirst sol, […] den Zeitpunkt angeben, zu dem das Dachwerk des Langhauses an das des Chorbaus angeschlossen wurde. Auf den Stadt­ ansichten im Wiener Schottenstift und auf der Kreuzigung in St. Florian erscheint das Dach des Langhauses bereits fertig […] jenes Datum 1490 muß jedenfalls als der äußerste Termin gelten, der äußere Anblick muß bereits zu Beginn der 80er Jahre endgültig gewesen sein.“241 Das Gemälde Die drei Erbauer der St. Stephanskirche ver-weist auf den Glauben und die christliche Gesinnung als Fundament des österreichischen Selbstverständnisses. Haltung und Gestik Rudolfs erinnern an die frühen Ent-würfe für die Austria-Allegorie mit nach oben weisender 239 Den Eintragungen im 6. Skizzenbuch zufolge hielt sich Kupel-wieser im Herbst 1847 in Linz auf.240 Fischer (o.J) verlegt bei Georg J. Binz, Buchhändler auf dem Stephans-Freyhof; vgl. auch: Lichnowsky (1817) p. 35.241 Ziska (1843) p. 83.242 Programmentwurf I, siehe Anhang. 72
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Das zusammengedrängte Gedenken
Autor
Sigrid Eyb-Green
Verlag
Bibliothek der Provinz
Ort
Weitra
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Abmessungen
24.0 x 27.0 cm
Seiten
312
Schlagwörter
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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