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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
Seite - 93 -
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93 und umreißt in der Folge die Umstände der Belehnung: „Als das deutsche Heer sich aus Appulien zurückzog, war der Markgraf von Österreich gefallen, der Babenberger nimt das Lehen in Anspruch und beruft sich auf die Verheißung Otto des großen zu dessen Beweiß er den gebrochenen Bogen zeigt, der leidende Kaiser (gramerfüllt) giebt ihm das Lehen und stirbt den zweyten Tag danach in Rom, des tapferen Mannes Panner folgen die kühnen Reken nach Österreich; auf dem Bilde ist der Kaiser in (leidender Stellung) (weh­ müthiger Erinnerung) frommer Erfüllung des vom großen Vaters gegebenen Worts und die Krieger zujauchzend der verdienten Belohnung vorgestellt.“339Besonders wird hier das Leiden des Kaisers und sein bevorstehendes frühes Ende zwei Tage nach dem Reichs-tag340 betont, dabei zeigt sich in der Überarbeitung des Textes eine Bedeutungsverschiebung von einer zunächst leidenden und gramerfüllten Figur hin zu einer positive-ren Interpretation als erst wehmütiger und schließlich frommer Herrscher, der gleichsam als letzte ehrenvolle Tat das Versprechen, das sein Vater gegeben hat, einlöst und damit den Fortbestand des österreichischen Kern-landes sichert. Im Wandgemälde wird diese Schilderung dementspre-chend umgesetzt; hier spiegeln sich in dem blassen, erns-ten Antlitz Ottos II. seine Krankheit und sein baldiger Tod. Kupelwieser folgt darin der Formkategorie des sor-genden Herrschers, der, angesichts seines nahen Todes, sterbend das Schicksal seiner Länder in die Hände eines Nachfolgers oder Lehnsherrn legt. In den zahlreichen Varianten des Sterbebildes (Telesko) wird vor allem der Gedanke der translatio der Herrschergewalt auf den Nachfolger formuliert. Ein Pendant zu Kupelwiesers Gemälde aus der Spätzeit der Babenberger ist die Feder-zeichnung von Carl Ruß mit dem Titel Der sterbende Otto­ kar IV. übergibt 1186 in Enns Leopold V. die Steiermark („Georgenberger Handfeste“).341 Dieses Muster wurde aber auch in die unmittelbare Gegenwart übersetzt, wie das Gemälde Am Sterbe bett von Kaiser Franz (1835) von Joseph Danhauser zeigt, in dem Kaiser Franz sterbend den jun-gen Franz Joseph segnet. Leopolds I. Eine Ausnahme bildet dabei Anton Zieglers Geschichtswerk Vaterländische Immortellen, in dem sich eine ausführliche Beschreibung der Belehnung findet, die auch mit einer Illustration versehen ist. „Alle Edlen und Großen des Reiches hatten sich zu diesem Reichstage versammelt. Unter einem prächtigen Baldachine saß auf erhabenem Throne der Kaiser in dem dazu bestimm­ ten Prunksaal, in seiner rechten Hand das kaiserliche Zepter haltend […] Da trat nun hervor des Reiches Herold in alter­ thümlicher Tracht, erhob seinen mächtigen Stab, und sprach mit heller und vernehmbarer Stimme ,Hohe Edle, vielvermö­ gende Fürsten des Reiches – erledigt ist das Lehen der Ost­ mark, wer nun gedenket Anwaltschaft darauf zu haben, und diese erweisen zu können glaubt, der stelle jetzt seine Rede.‘ Ein dreimal wiederholter Trompetenstoß schmetterte durch den hohen Saal und verkündigte den Aufruf. […] Als sich darauf Leopold aus dem Geschlecht der Babenberger meldet, erinnert sich der Kaiser dankbar aus seiner Jugend noch des Ereignisses seines großen kaiserlichen Vaters, und gleichsam ahnend, daß durch diesen die Ostmark ihren Retter finden werde, wie vor 200 Jahren in dem glorreichen Kaiser Karl dem Großen, ihren Gründer, so befahl ihm der gerührte Herrscher, sich an des Thrones Stufen kniend nieder zu lasen. Feierlich reichte ihm nun der Kaiser die goldene Krone in seine Hände […].“338Auffallend ist an diesem Text der Kontinuitätsgedanke, der Leopold, den eine glücklichen Vorsehung zum Retter der verwaisten Ostmark bestimmt hat, gewissermaßen in die Nachfolge Karls des Großen stellt.Über die Gründe, warum Kupelwieser in seinem Fres-kenzyklus nicht den wesentlich weniger sperrigen Bild-gegenstand der Bärenjagd wieder aufgegriffen hat, lassen sich nur Vermutungen anstellen. Vielleicht wollte Kupel-wieser den Beginn der beiden großen Herrscherdynas-tien von Österreich in der Symmetrie der beiden Beleh-nungen einander gegenüberstellen und durch ihre auch formal ähnliche Gestaltung als Staatsakt die Rechtmäßig-keit der Ansprüche beider Herrscherhäuser betonen. Möglicherweise hatte die Episode aber auch zu stark legendenhafte Züge, um der Forderung nach historischer Wahrscheinlichkeit genügen zu können, und wurde des-halb nur noch symbolisch in Form des zerbrochenen Bogens angedeutet – schließlich war auch das Motiv der Schleierlegende aus dem Programm gestrichen worden. Aus der Textpassage zur Belehnung Leopolds im ers-ten Programmentwurf geht hervor, dass Kupelwiesers Interesse tatsächlich eher dem historischen Kontext des Reichstags von Verona galt und nicht der Bogenlegende. Im Bewusstsein, dass die Quellenlage für die Belehnung sehr unklar ist, formulierte er dazu vorsichtig: „[…] soviel uns aus den dunklen Quellen über diese Zeit erhalten […]“, 338 Ziegler (1838 – 1840) Text zu Bild Nr. 2.339 Siehe Transskript des Programmentwurfs I, Anhang. Die in Klam-mern angeführten Worte sind im Originaltext durchgestrichen. Der Text wurde leicht gekürzt und Satzzeichen zur besseren Les-barkeit eingefügt. 340 Nach heutigem Forschungsstand fand der Reichstag in Verona zu Pfingsten des Jahres 983 statt. Kaiser Otto II. starb nicht unmittelbar danach, sondern am 7. Dezember in Rom im Alter von 28 Jahren unerwartet an den Folgen einer Malariabehand-lung. Vgl.: Hansert (2006) p. 56.341 Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Pk 783A Blatt Nr. 55, vor 1843.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Das zusammengedrängte Gedenken
Autor
Sigrid Eyb-Green
Verlag
Bibliothek der Provinz
Ort
Weitra
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Abmessungen
24.0 x 27.0 cm
Seiten
312
Schlagwörter
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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