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Altvorderen unter Ferdinand und Leopold auf den Wällen
Wiens siegreich bethätigt hatten! […] Die Studenten vom
dießjährigen Rector, dem brühmten Arzte Baron Quarin
angefeuert, bestrebten sich den ruhmwürdigen Vorgang der
Wiener Hochschule in den Nöthen Ferdinands Leopold und
Theresiens noch zu übertreffen.“460
Auch Ziska deutet das Aufgebot in diesem Sinn:
„[…] und daß die biedern Einwohner Wiens nicht weniger
Muth und Treue beweisen werden, als ihre ruhmvollen Vor
eltern, welche unter Ferdinand und Leopold auf den Wällen
von Wien für Religion, Fürst, Vaterland und Ehre siegreich
gefochten hatten. […] Freudigen Muthes voll wurde der
Ruf zum Aufgebothe angenommen: die Studierenden, die
Künstler und der Handelsstand ergriffen die Waffen;
Nieder=Österreichs Stände bildeten ein eigenes Corps
[…].“461Diese
Deutung der Ereignisse lässt sich bis unmittelbar
in die Zeit des Aufgebots selbst zurückverfolgen: Schon
1797 war Georg Friedrich Henslers Volksstück Die
getreuen Oesterreicher oder das Aufgeboth (Wien 1797)
erschienen, in dem der Autor die zweite Wiener
Türken-belagerung
wieder vergegenwärtigte. Geschichte wurde
hier zum Katalysator Gemeinschaft stiftender Prozesse
und zur Rückversicherung in der gegenwärtigen
Bedro-hungslage
durch Aktualisierung beispielhafter
histori-scher
Handlungsschemata.
Zur
DarstellungstraditionIn
der Gestaltung des zentralen Bildelements – dem
Schwur auf Kaiser und Vaterland – greift Kupelwieser auf
eine ikonographische Tradition zurück, die
Frodl-Schnee-mann
vor allem aus französischen Darstellungen des
18. Jahrhunderts herleitet.462 Zu den bekanntesten
Bei-spielen
für dieses Motiv zählen Gavin Hamiltons Schwur
des Brutus (1763/64), Johann Heinrich Füßlis Der Schwur
am Rütli (1787), der, von Carl Rahl gestochen, auf der
Akademie-Ausstellung von 1842 gezeigt wurde, und vor
allem Jacques-Louis Davids Schwur der Horatier (1784).
In Österreich übertrug Carl Ruß den Gegenstand ins
ländlich-bäuerliche Milieu aus der Zeit der Befreiungs-
willigen-Aufgebot und für das Studenten-Corps,
vaterlän-dische
Volksstücke mit Gesängen und Chören wurden
aufgeführt.458 Denkschriften zu den Ereignissen des
Jah-res
1797 wie Joseph Laubers illustriertes Werk Denkmahl
der Vaterlandsliebe und Fürstentreue und Johann Michael
Cosmas Denis’ Denkschrift für Oesterreichs Patrioten
erschienen noch im selben Jahr bzw. 1798. Wenig später,
1799, entstand Heinrich Fügers Porträt des Grafen Franz
Josef Saurau, auf dem das Datum 17. April 1797 vermerkt
ist, was das Gemälde in unmittelbaren Zusammenhang
mit den Ereignissen des Wiener Aufgebots bringt.
In der Geschichtsschreibung wurde das
Freiwilligen-Aufgebot
auch in den Jahren danach stets als
Musterbei-spiel
für Vaterlandsliebe und Bürgertugend angeführt
und ausführlich besprochen. Anton Ziegler schildert
1838 in seinen Vaterländischen Immortellen die Ereignisse
wie folgt:
„Wem ist der Name ,Vaterland‘ nicht heilig? […] Und wer
ist von dieser schönen Vaterlandsliebe feuriger durchdrungen
als Österreichs Bewohner und vorzüglich Wiens schätzbare
Bürger, die diese Liebe, zum besten des hohen Kaiserhauses
und des theuren Vaterlandes, in ruhigen wie in sturmbewegten
Zeiten so sattsam bewiesen haben. […] Ein öffentlicher Auf
ruf an alle Landes Mitglieder und ihre Söhne, an alle Adelige,
wie auch an alle ständische Beamte, bildete das sogenannte
Korps von Niederösterreich zur Vertheidigung des Vaterlan
des. Sämmtliche Aufgebots Mannschaft trug kaiserliche
Kokarden auf ihren Hüten. […] Sobald diese Funktion [Feld
messe, Anm.] beendet war, wurde nun dem versammelten
unter Waffen gebrachten Aufgebote der Eid der Treue, gegen
den Monarchen und das Vaterland vorgelesen. Alle hoben
jetzt den Daumen, Zeig= und Mittelfinger in die Höhe, und
sprachen den Eid mit fester Stimme
nach.“459Eine
Illustration zeigt den Schwur der neu angelobten
Freiwilligen, der hier – anders als bei Kupelwieser –
ent-sprechend
der vorangegangenen Textpassage mit der
Schilderung der Feldmesse auf dem Glacis nicht dem
Prinzen von Württemberg, sondern einem Geistlichen
geleistet wird. In Zieglers 1843 – 1849 erschienenem
Werk Vaterländische Bilder Chronik ist das Aufgebot
wie-der
durch eine Illustration veranschaulicht, die Szene
wird aber wesentlich weniger dramatisch gestaltet: In
einem fast bürokratisch anmutenden Akt im Rathaus
tragen sich die Bürger in ein Buch ein.
Joseph Freiherr von Hormayr stellt in seiner 1823
erschienenen Geschichte von Wien die Ereignisse in
einen größeren geschichtlichen Kontext und bringt sie
mit der Verteidigung Wiens während der beiden
Türken-belagerungen
durch die Wiener Bürger in Verbindung:
„Graf Saurau […] forderte am 4. April Wiens Bürger […]
dazu auf, jene muthvolle Treue wieder zu beweisen, die ihre 458 Eine Auswahl: Carl Friedrich Hensler: Die getreuen Österreicher,
oder das Aufgeboth. Ein Volksstück mit Gesang in 3 Aufzügen. Wien
1797; Johann Thiard Laforest: Das Aufgeboth. Ein Vaterländisches
Gelegenheits Stück mit Gesängen und Chören, Wien 1798; Ignaz
Liebel, Cantate Das Aufgeboth. Wien 1800; Lauber, Joseph: Denk
mahl der Vaterlandsliebe und Fürstentreue. Wien 1797, mit 8
kolorier-ten
Kupfertafeln.
459 Ziegler (1838 – 1840) Text zu Bild Nr.
50.460
Hormayr (1823 – 1825) 5. Bd., Heft 1,
p.114ff.461
Ziska (1847) p.
435.462
Frodl-Schneemann (1984) p. 39f.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306