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einem Gemälde von Heinrich Füger, das den
Regierungs-präsidenten
Franz Josef Graf Saurau darstellte und in
Erinnerung an das Aufgebot des Jahres 1797 geschaffen
worden war.465
Im Jahr der Beauftragung Kupelwiesers mit dem
Fres-kenzyklus
jährte sich zudem das Ereignis zum fünfzigsten
Mal, möglicherweise wurde dieses Jubiläum auch mit
Feierlichkeiten begangen und das Ereignis wieder in das
allgemeine Bewusstsein
gerufen.Kupelwieser
konnte sich bei dieser Darstellung gewiss
besonders mit den Protagonisten der Handlung
identi-fizieren,
schließlich wird in der zeitgenössischen
histo-rischen
Literatur stets betont, die Künstler wären in den
Tagen des Aufgebots mit gutem Beispiel vorangegangen:
„Die Mitglieder der Akademie der bildenden Künste hatten
schon im Jahre 1741 ein eigenes Korps zur Vertheidigung
ihrer damals regierenden Monarchin Maria Theresia gebil
det, und sich eine eigene Fahne, unter der sie zum Streite
auszogen angeschafft. Nach dem Beispiele ihrer edlen Vor
fahren sammelten sich nun auch diese wieder und traten
unter ihrem wackeren Direktor Schmutzer ebenfalls in die
Reihen der
Landesverteidiger.“466Viele
der jungen Männer, die sich in Kupelwiesers
Gemälde um den Prinzen von Württemberg scharen, sind
durch ihre Kleidung – graublaue Hosen und Röcke mit
grünen Krägen und Ärmelaufschlägen, dazu der schwarze
Dreispitz mit grünen oder schwarzen Buschen – als
Mit-glieder
des Corps der Akademie der bildenden Künste
oder der Studierenden
gekennzeichnet.467Nicht
zuletzt hatte Kupelwieser auch Kontakt zu einer
der prominentesten Persönlichkeiten aus der Zeit der
Volkserhebungen, zu dem Dichter Matthäus von Collin,
dessen Wehrmannslieder 1813 im Burgtheater von
tau-senden
Begeisterten mitgesungen wurden.
Die Unmittelbarkeit der Darstellung im Sinne einer
his-torischen
„Momentaufnahme“, die bewegte Gestik als
Ausdrucksträger der Idee und realistische
Detailschilde-rungen
machen das Gemälde Das Aufgebot von 1797 zu
einem modernen Ereignisbild. Inhaltlich vollzieht sich
innerhalb des gesamten Freskenzyklus in diesem Bild am
deutlichsten eine Wende zu einer modernen
Geschichts-auffassung.
Hier werden Bürger zu den eigentlichen
Hel-den
der Handlung und ein Freiwilliger steht als
Reprä-sentant
der Volkserhebung für die Freiheit der Nation im
Mittelpunkt.
Schulter legt und zu ihm aufblickt, klingt das Motiv
Abschied Jesu von seiner Mutter aus dem Bilderkanon der
Passion Christi an.
Bedingt durch die architektonischen Gegebenheiten
des Raumes musste Kupelwieser sein Fresko Das Aufgebot
von 1797 um die Ecke führen und fertigte in der Folge für
den schmalen Bildstreifen am linken Bildrand einen
sepa-raten
Karton. Der Eindruck der Verselbständigung der
Abschiedsszene wird noch verstärkt, indem die
Zeich-nung
unabhängig vom größeren Teil der Komposition
einzeln gerahmt präsentiert wird. Dergestalt aus dem
Kontext der Gesamtdarstellung und damit auch des
konkreten geschichtlichen Ereignisses genommen, wird
die Figurengruppe aus dem Bereich der alltäglichen
Wirklichkeit herausgehoben und zur
überzeitlich-allge-meingültigen
Tugend christlicher Selbstaufopferung
nobilitiert.
Zur Themenwahl
Für die Entscheidung, eine Darstellung der Ereignisse
von 1797 in den Freskenzyklus aufzunehmen, kann es
mehrere Gründe gegeben haben. Von den
Volkserhebun-gen
der Freiheitskriege erschien das Aufgebot von 1797
sicherlich am wenigsten suspekt, da es stattfand, bevor
die von Erzherzog Karl und Erzherzog Johann initiierte
und organisierte Landwehr nicht zuletzt durch die
pro-pagandistisch-publizistischen
Bemühungen Hormayrs
eine nationale Begeisterungswelle auslöste, die außer
Kontrolle zu geraten drohte. Zwar wurde nach der
Ver-haftung
Hormayrs 1813 und der Auflösung des
Alpenbun-des
als Folge der Tiroler Aufstände die Politik
grundsätz-lich
geändert und in der Ära Metternich alles, was an
einen massenhaften Aufbruch der Bevölkerung erinnerte,
unterdrückt. Dennoch war man ganz allgemein daran
interessiert, die Verbundenheit der Bürger mit ihrem
Vaterland zu stärken und sie durch künstlerische
Insze-nierung
vorbildlicher Opferbereitschaft in der
Vergan-genheit
an ihre gegenwärtige Pflicht dem Staat
gegen-über
zu erinnern.
Das Aufgebot von 1797 stand in direktem
Zusammen-hang
mit der niederösterreichischen Regierung, deren
Regierungspräsident Graf Saurau 1797 auch Initiator der
Volksbewaffnung war; zudem bildeten die
niederöster-reichischen
Stände ein eigenes Corps. Als Symbol ihrer
Loyalität zum Kaiserhaus machten die Truppen mehrere
von Maria Theresia eigenhändig bestickte Bänder, die sie
einst dem Grafen Saurau übergeben hatte, zu ihrem
Banner. Im Gebäude der Niederösterreichischen
Statt-halterei
hing in halber Höhe des ersten Stockwerkes ein
Stich von Johann Peter Pichler aus dem Jahr 1799 nach 465 Foerster (1930) p.
74.466
Ziegler (1838 – 1840) Text zur Bild Nr.
50.467
Vgl.: Lauber (1797) Abbildungen der Uniformen.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306