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in alle vier Himmelsrichtungen die Gestalt eines
Kreu-zes
erkennen
wollte.537Auch
Hormayr fügt, in Zusammenhang mit Joseph II.,
einen Exkurs über die Verbindung der Herrscherfamilie
mit der Kirche ein und nennt dafür dieselben Stationen
in der Geschichte der Dynastie: Er bezeichnet die
Epo-che
unter Joseph II. als
„[…] eine der herrlichsten Fulgurationen jenes ewigen
Lichts, das aus Rudolphs Begegnung mit dem Priester auf
der Jagd eine ganze Weltgeschichte entzündet, das Ferdi
nanden vor dem Crucifix und Theresien auf dem Landtage
zu Preßburg gestärkt und ihnen unerwartete Retter
erweckt.“538Die
zweite allegorische Figur zur Linken des
Kaiserport-räts,
ein Jüngling mit Schwert und Maurerkelle,
versinn-bildlicht
Ferdinands Kampf gegen den Protestantismus
und seine Stärkung der Kirche, auf die der Bau des
Tem-pels
(Nehemia 4, 12) bezogen ist. Der Sieg des Feldherrn
Tilly in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag 1620
mar-kierte
schließlich den Beginn der militärischen
Domi-nanz
der katholischen Liga.
lassen, Ferdinand, Mut zugesprochen.532 Kurz danach
wurde Ferdinand von einem wallonischen
Kürassierregi-ment
aus seiner Bedrängnis gerettet. Caroline Pichler
widmete der Begebenheit das Gedicht Kaiser Ferdi
nand II. und schildert die Szene mit dem Kruzifix wie
folgt:
„Und wie er mit Gott im Gebete ringt,/da schweiget der
Sorgen Getümmel,/ein leiser Ton in der Seel’ ihm erklingt,
als käme die Stimme vom Himmel;/jetzt glaubt er der Töne
Sinn zu fassen: ,Ich werde dich, Ferdinand, niemals ver
lassen!‘“533In
Anton Zieglers Gallerie der österreichischen Vaterlands
geschichte findet sich jene Szene unter dem Titel Ferdi
nand II. betet zum Kruzifix, von protestantischen Stände
vertretern bedrängt.534 Auch Carl Ruß nahm das Motiv in
seiner Serie von Feder- und Pinselzeichnungen zur
Geschichte Wiens auf535 und betitelte es Die Standhaftig
keit Kaiser Ferdinands II. gegen die verwegenen Protestan
ten 1619. Während von rechts vier Protestanten durch
das geöffnete Fenster in den Raum stürzen und
Ferdi-nand
bedrängen, bleibt dieser unbeirrt, mit flehend
erhobenen Händen betend vor dem Kruzifix
knien.Das
sogenannte Kaiser Ferdinand Kruzifix wurde in
der Folge zum Gegenstand allgemeiner Verehrung. Die
junge Maria Theresia nahm das in der Schatzkammer zu
Wien aufbewahrte Kreuz 1741 unter Berufung auf die
beschriebene Überlieferung auf den
entscheidungs-schweren
Reichstag zu Pressburg mit und ließ es nach
ihrer Rückkehr zwei Wochen lang öffentlich in der
Kam-merkapelle
verehren. Aufgrund des großen Andranges
ordnete sie schließlich an, das Kreuz in der
Hofburgka-pelle
allgemein zugänglich auszustellen, 1748 wurde es
in den Tabernakel der Kapelle eingefügt. An dieses für
heilig gehaltene Kruzifix war bis zum Ende der
Monar-chie
die Tradition der Kreuzverehrung der Ahnen
geknüpft, was auch darin zum Ausdruck kam, dass noch
Kaiser Franz Joseph sterbenden Mitgliedern der Familie
das Ferdinand-Kreuz ans Krankenbett bringen ließ.536
Für die Kreuzesfrömmigkeit der Habsburger wurden
bereits von barocken Schriftstellern zahlreiche Beispiele
genannt. Rudolfs Königtum war von Beginn an durch die
volkstümliche Überlieferung der Belehnung mit dem
Kreuz – im Statthalterei-Zyklus ebenfalls allegorisch
angedeutet – eng an das Kreuz-Symbol geknüpft. Das
Motiv setzt sich fort in der weißen Wolke in Kreuzform,
die bei seiner Krönung in Aachen erschienen war, im
Vorantragen des Kreuzes durch Rudolfs Sohn Albrecht
in der Schlacht gegen Ottokar, in der Errichtung der
Kreuzkirche in Tulln nach dem Sieg über den
Böhmen-könig
bis hin zur Vorstellung des Jesuiten Hortensio
Pal-lavicini,
der in der Ausdehnung des Habsburgerreiches 532 Coreth (1982) p. 41.
533 Caroline Pichler: Kaiser Ferdinand II. Zit. nach: Pennersdorfer
(1879) p.
212.534
Ziegler (1837) Bild Nr.
75.535
Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, PK 783A,
Abb. Nr. 144, vor
1843.536
Coreth (1982) p.
41.537
Ebd. p.
38f.538
Hormayr (1817) 1. Bd., p. 159.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306