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172 befeuchtet, als ich heute zu machen gedachte. Nachmalen
habe ich mit dem kleinen hölzernen Hobel hier das Stück
Malgrund aufgetragen, fein abgezogen und jede Unebenheit
beseitigt. Nun erst kann ich, nachdem das wässrige Aussehen
vorüber ist, die Malerarbeit beginnen, muß sie aber rasch
vollenden, weil sonst der Grund wieder trocken wird, und
daher hab ich ein Stück von dem Carton, der Umrisse und
Schattierungen angibt hier in Bereitschaft und trag’ die
Zeichnung nun mittelst einer Bause auf den Kalk über, indem
ich da mit dem spitzigen Instrument über die Konturen hin
fahre.“581In
den sorgfältig auszuführenden Vorarbeiten, die hier
ausführlicher beschrieben werden als der Malprozess
selbst, findet wieder deutlich der Rückbezug zum
Hand-werk
statt, der schon in der Frühzeit nazarenischen
Kunstschaffens eine zentrale Rolle einnahm. Noch
detail-reicher
schildert Cornelius die Vorbereitungsarbeiten
zur Freskomalerei, als er 1841 in London als Berater bei
der Ausschmückung der Regierungsgebäude
hinzuge-zogen
wird:„Für
die Vorbereitung der Mauer ist ein Grund von trockenen
und gleichmäßig harten Backsteinen zu empfehlen. Wenn die
Mauer mit altem Mörtel bedeckt ist, dessen Ingredienzen
man nicht kennt, so soll diese Bekleidung vollständig wegge
schafft werden, bis die soliden Materialien zu Tage treten,
und es ist dann eine neue Bekleidung von Flußsand und Kalk
darauf zu thun. Ein anderes Mittel gegen Feuchtigkeit ist
auch, die horizontale Oberfläche der Mauer bei der dritten
Schicht von Backsteinen über dem Boden mit einer dünnen
Bleiplatte zu versehen, welche durch eine Bekleidung von
Pech auf beiden Seiten geschützt wird. Natürlich kann das
nur bei neuen Mauern geschehen; bei alten ist die raue
Bekleidung unerlässlich. – Cornelius legt den größten Nach
druck auf die Nothwendigkeit, lang aufbewahrten Kalk zu
nehmen, da derselbe mit den Farben in unmittelbare Berüh
rung kommt und selbst eine Farbe ist; denn Kalk ist ein wei
ßes Pigment. Er präparierte den Kalk für die Fresken in der
Ludwigskirche acht Jahre, bevor er ihn gebrauchte. – Ist eine
raue Bekleidung auf der Mauer angebracht, so ist es nicht
genug, sagt er, sie nur vollständig hart werden zu lassen; war
der gebrauchte Kalk frisch, so muß man sogar zwei bis drei
Jahre warten, bevor irgend eine weitere Operation vorgenom
men wird. Andere deutsche und italienische Freskenmaler
sollen indessen den Kalk nur zehn bis zwölf Monate alt wer
den lassen. Nach der Münchner Praxis wird ein Grube mit
reinen gebrannten Kalksteinen gefüllt; beim Löschen rührt
man sie fortwährend um, bis sie zur allerfeinsten Consistenz
gelangt sind. Wenn die Oberfläche sich zu einer glatten
nachträgliches Besprühen mit seiner selbst entwickelten
Zerstäuberspritze (Schlotthauer’sche Fixierspritze) fixiert
wurden. Aber auch diese Technik erwies sich als nicht so
haltbar, wie versprochen worden war: War der Putz zu fest
und glatt oder wurde eine zu dicke Wasserglas-Schichte
aufgetragen, so kam es zu Haftungsproblemen der
Mal-schicht
auf dem Untergrund.
Mithilfe Kaulbachs, der das Neue Museum in Berlin
mit Wandmalereien in Stereochromie ausmalen sollte,
versuchte Fuchs, der neuen Technik zum Durchbruch zu
verhelfen. Dabei kam es jedoch schon bald zu
Farbverän-derungen
aller Pigmente, Ausblühungen und
Rissbildun-gen
in der Malschicht. Dass Kaulbach die ersten großen
stereochromatischen Wandbilder in Berlin und nicht in
München ausführte, lag an dem zunehmenden
Wider-stand,
der sich unter den Freskomalern der alten Schule,
allen voran Cornelius, gegen die neue Technik bildete,
die von ihnen als Verrat an den einstigen Idealen, der
reinen und wahren Form des Freskos, empfunden wurde.
Cornelius verteidigt noch 1868 seine nazarenischen
Ideale:
„Die Freskotechnik ist gerade deshalb die beste, weil sie die
schwierigste ist. Mit stets frischem, immer scharfem, kräfti
gen Geiste muß da geschaffen werden, die ganze Mannes
kraft wird in Anspruch genommen und deshalb wurden darin
die höchsten Kunstwerke geschaffen. Die Italiener verdanken
dieser Erkenntnis ihre Größe. Deshalb sagte ich’s gleich, dass
mit der Erfindung der Kaulbach’schen Manier [der Stereo
chromie, Anm.] der Verfall der monumentalen Malerei
beginne. Da kann wieder gepinselt und mit Lasurtönen u.s.w.
gearbeitet werden; die Kühnheit und Sicherheit ist nicht
mehr nöthig. Es ist bequemer und das ist dem Herrn Kaul
bach
angenehm.“580Moritz
von Schwind gab in einem Gespräch mit Freunden
einen ausführlichen Bericht über seine Maltechnik auf
der Wartburg, der von August Wilhelm Müller überliefert
wurde:„Ehe
ich ans Malen von so einem Bild gehe, braucht’s erst
eine große Vorbereitung. Auf die Mauer muß zuerst ein gro
ber mit kleinen Kieselsteinen untermischter Bewurf kommen
und alle Fugen müssen vorsichtig ausgefüllt werden, damit
keine Luftblasen zurückbleiben. Ist der erste Bewurf ganz
abgetrocknet, wird er aufgekratzt, um die feste Rinde zu zer
stören und wieder angefeuchtet, um einen zweiten Bewurf
darauf zu bringen. Die beiden Bewürfe hab ich unter Aufsicht
von Herrn Mosbach machen lassen. Den dritten, wenn der
zweite ganz ausgetrocknet, lege ich dann selbst, es ist der
eigentliche Malgrund, zu dem ich alten, mit Quarz vermisch
ten Kalk und feingesiebten Sand nehme. Dazu habe ich dann
heute in aller Frühe da mit dem hölzernen Handhobel so viel
von der Mauerstelle recht trocken abgerieben und dann stark 580 Zit. nach: Lohde (1868) p.
32.581
Müller (o. J.) p. 191f.
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Buch Das zusammengedrängte Gedenken"
Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306