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matisch für die geschichtliche Perspektive der
Habsbur-germonarchie
und ihr Verhältnis zu den Kronländern.
Im selben Jahr begann Krafft mit seiner Arbeit an drei
monumentalen enkaustischen Wandgemälden im
Audi-enzsaal
der Wiener Hofburg. Die Stoffe hatte Kaiserin
Carolina Augusta ausgewählt und Szenen aus dem Leben
Kaiser Franz I. vorgegeben: Die Rückkehr des Kaisers aus
Pressburg nach dem Krieg am 27. November 1809, Der
Einzug des Kaisers in Wien nach der Rückkehr aus Paris am
16. Juni 1814 und Die erste Ausfahrt des Kaisers nach
gefährlicher Krankheit am 9. Mai 1825.619 Alle Gemälde
thematisieren die Anteilnahme des Volkes am Schicksal
des Kaisers und demonstrieren zugleich die väterliche
Verbundenheit des Herrschers, des guten Kaiser Franz, mit
seinen Untertanen. Diese Form der Repräsentation steht
in bewusstem Gegensatz zu der souveränen
Selbstdarstel-lung
Napoleons, dessen Heldentaten den Betrachter
beeindrucken und einschüchtern sollten. Die politische
Bedeutung, die man dieser Manifestation zuerkannte,
wird im Verwendungszweck des Saales und der Tatsache,
dass der Raum nach Vollendung einige Wochen für
jeder-mann
zur Besichtigung geöffnet war, deutlich.
An diesen Gemälden wird besonders der Unterschied
zu dem idealistischen Ansatz in der von den Nazarenern
geprägten Geschichtsmalerei deutlich, deren Fresken in
der Villa Massimo fast zeitgleich zu Kraffts
Hofburg-Gemälden
entstanden. Während jene Kompositionen,
gemäß den Forderungen an die Freskomalerei, durchwegs
große Stoffe behandeln und durch Stilisierungen,
Über-höhungen
und Verweise charakterisiert sind, schuf Krafft
in der Hofburg Gemälde mit volkstümlichen Zügen, die
weder kriegerische Taten noch Haupt- und
Staatsaktio-nen
darstellen, sondern in der detailreichen
Beschrei-bung
des einfachen Volkes und ihrer unheroischen
Senti-mentalität
bereits genrehafte Elemente aufweisen. Der
des Gemäldes nicht einmal warten, bis es gefirnisst war,
um damit an die Öffentlichkeit zu treten! –, denn das
Bild hätte zu einem späteren Zeitpunkt seine politische
Dring lichkeit eingebüßt
gehabt.615Kraffts
öffentlicher Auftritt ist Ausdruck einer neuen
Unabhängigkeit der Künstler und ihres Bedürfnisses,
auch abseits des akademischen Rahmens direkten Zugang
zum Publikum zu finden. Der Maler Carl Ruß, der sich als
einer der ersten Künstler in Wien intensiv mit
vaterlän-dischen
Gegenständen beschäftigt hatte, stellte in seinem
Atelier seine vielen Historienbilder aus und realisierte
damit einen öffentlichen Raum für seine Kunst, der sich
zu einem beliebten Treffpunkt für einheimische Künstler
und einer Sehenswürdigkeit für Reisende gleichermaßen
entwickelte.616
1813, im selben Jahr, in dem die Akademie-Ausstellung
erstmals stattfand und Krafft auf der Bastei seine
Land-wehrmann-Komposition
zeigte, ergingen schließlich
auch die ersten großen Aufträge für Historienbilder von
öffentlicher Seite an ihn. Die niederösterreichischen
Landstände bestellen ein großformatiges Gemälde, Erz
herzog Carl und seine Suite in der Schlacht bei Aspern 1809,
für die Stirnwand des Ehrensaals im Invalidenhaus an der
Landstraße, und die Bürgerschaft Wiens gab das Pendant
dazu, Die Siegesmeldung des Fürsten Schwarzenberg nach
der Schlacht bei Leipzig an die alliierten Monarchen 1813,
in Auftrag. 1817617 bzw. 1820 wurden die beiden
Ölge-mälde
unter großen Feierlichkeiten im Ehrensaal des
Invalidenhauses angebracht. Krafft gelang in diesen
Bildern die Monumentalisierung eines historischen
Ereignisses in bemerkenswertem Realismus, und die
Gemälde, die beide Seitenwände des Saales vollständig
bedeckten, erhielten durch ihre lebensgroßen Figuren
und die detailgetreue Ausführung einen gewissen
Illu-sionscharakter.618
Sie zählten zu den Sehenswürdigkeiten
Wiens und waren an den Jahrestagen der Schlachten
öffentlich zugänglich.
1825 schuf Krafft erneut selbst eine Bühne für seine
His-toriengemälde
und konstruierte wieder ein Holzgebäude
auf der Biberbastei, in dem, gegen das Eintrittsgeld von
einem Gulden, sieben Gemälde bewundert werden
konnten. Darunter waren auch zwei Kompositionen, die
Krafft im Auftrag der ungarischen Nation zur
Schmü-ckung
des ungarischen Nationalmuseums gemalt hatte:
Der Ausfall Nicolas Zriny aus der Festung Szigeth 1566
und Krönung Kaiser Franz I. zum ungarischen König in
Ofen am 6. Juni 1792.
Beide Gemälde beziehen sich nicht ausschließlich auf
die ungarische Nationalgeschichte, sondern stellen
Ereignisse dar, die sich aus der Verbindung Ungarns mit
dem Hause Habsburg ergeben. Dieser Ansatz ist sympto- 615 Das Gemälde wurde nach der Ausstellung auf der Bastei im Palais
des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen und 1815 in der
akade-mischen
Kunstausstellung gezeigt und im selben Jahr vom Kaiser
für seine Gemäldegalerie angekauft.
616 Vgl.: Frodl-Schneemann (1984) p.
72.617
Krafft malte die Siegesmeldung nach der Schlacht bei Leipzig
inner-halb
von neun Monaten, und das Gemälde konnte am Jahrestag
der Schlacht, am 18. Oktober 1817, enthüllt werden. Das Pendant,
Erzherzog Karl mit seinem Stab in der Schlacht bei Aspern wurde erst
1819 vollendet. Vgl.: Frodl-Schneemann (1984) p. 44.
618 Eckart Vancsa sieht in der Kombination aus den beiden
monu-mentalen
Schlachtengemälden und der Sammlung von Kliebers
Feldherrenbüsten eine Vorwegnahme des Typus „Galerie des
Batailles“, die von Versailles (1837) aus ihren Siegeszug durch
Europa antrat und zum Vorbild bei der Ausstattung des Wiener
Heeresgeschichtlichen Museums werden sollte. Vgl.: Vancsa
(1974) p.
165.619
Zu den Hofburg-Gemälden vgl.: Frodl-Schneemann (1984)
p. 72 – 100.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306