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216 den Wandgemälden fertigte Kupelwieser an, nachdem die
Kartons zu den Deckengemälden fertiggestellt worden
waren. Diese Kartons dürften dann entweder parallel
zu den Fresko-Arbeiten zwischen März und Oktober
1848 bzw. nach dem 31. Oktober 1848 entstanden sein,
wobei die Kartons zu den Herrscherporträts und den
dazugehörenden Allegorien in das Jahr 1849 zu datieren
sind.
Im Vorfeld der Ausführung von Wand- und
Deckengemäl-den
fertigte Kupelwieser drei kleinformatige Tafeln mit
Freskoproben (Modelli) an.814 Eine Tafel zeigt als
Aus-schnitt
des Gemäldes Das öffentliche Gericht zu Tulln815
eine Mutter mit ihren beiden Kindern, die zweite Tafel
befindet sich in der Sammlung des
Niederösterreichi-schen
Landesmuseums816 und stellt einen Ausschnitt des
Gemäldes Die Türkenkriege817 dar. Offenbar handelt es
sich um Vorstudien, bei denen Kupelwieser mit der
Mal-technik
selbst und der dadurch bedingten Farbwirkung
experimentierte, möglicherweise auch, um dem
Auftrag-geber
eine Vorstellung vom Eindruck der fertig
ausge-führten
Fresken zu geben. (Abb. 293)
Die Vorarbeiten zu den Fresko-Malereien im Marmorsaal
lassen sich anhand des Vertrages818 vom 16. Jänner
1848 gut rekonstruieren. Kupelwieser verhandelte mit
dem zuständigen Architekten H. Braun die Details zu
Be rohrung819 und Bewurf. Der Sand wurde aus
Weid-lingau
bezogen und gewaschen, auch dazu gab
Kupel-wieser
dem Architekten Braun genauere Anweisungen. Er
verlangte weiters einen für die Fresko-Arbeiten speziell
zugeteilten Maurer, Kalk und Gerüste.
Vermutlich entstanden in der Zeit von März bis
Okto-ber
1848 im Anschluss an die Kartons zu den
Deckenge-mälden
die acht Kartons zu den historischen Szenen der
Wandgemälde. Die Kartons zu den Herrscherporträts
zeichnete Kupelwieser wahrscheinlich erst im Jahr 1849,
weil die Auswahl der einzelnen zu porträ tierenden
Herr-scher
erst im dritten Programmentwurf, welcher nach
dem 1. Jänner 1849 zu datieren ist, festgelegt wurde.
Diese Annahme bestätigt sich durch die beiden Vermerke
„Gesehen und für gut befunden. P. Sprenger 15/4 49“ bzw.
„Begutachtet 1:/5. 1849 Paul Sprenger“ auf den Kartons
zu den Porträts von Maximilian I. bzw. Maria Theresia.811
Kupelwieser arbeitete an den Kartons vermutlich in
sei-ner
Wohnung im gräflichen Palais Schönborn, die er 1840
mit seiner Familie bezog und die auch genügend Platz für
Atelierräumlichkeiten bot.
„Jene Zimmer, welche einst die gräfl. Schönborn’sche Galerie
enthielten, waren wahre Prachtsäle, mit großen Spiegeln,
Marmortischen und barocken Deckengemälden. Sie dienten
ihm als Atelier und zur Aufbewahrung seiner vielen Cartons,
die er für seine Bilder gezeichnet hatte“812,
erinnerte sich seine Tochter Elisabeth Kupelwieser
später.Im
Gebäude der Niederösterreichischen Statthalterei
wurden die Kartons während der Freskoarbeiten in einem
kleinen, an den Marmorsaal angrenzenden Raum
aufbe-wahrt.
Möglicherweise wurden vor Ort noch Änderungen
vorgenommen oder Details in den Darstellungen geklärt,
wie folgende Stelle in einem mit dem 16. Jänner 1848
datierten Schreiben von Kupelwieser an Freiherrn von
Kübeck vermuten lässt, in dem er
bittet,„[…]
die anstoßenden Zimmer neben dem Saale welche klein
sind zu Aufbewahrung der Cartons Farbenbereitung und etwa
vorzunehmender Studien in absperrbarem Zustande mir zu
überlassen.“813
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass eine
Chronologie der Entstehung der Kartons nur teilweise
rekonstruierbar ist. Aus Programmentwürfen, Briefen und
den Vermerken auf einzelnen Kartons lässt sich folgern,
dass Kupelwieser wahrscheinlich zwei Kartons bereits im
Jahr 1847, vor Abschluss des Vertrages für die Ausstattung
des Marmorsaales, fertiggestellt hatte. Eine Reihe von
Indizien sprechen dafür, dass als Erstes der Karton mit
der Austria-Allegorie ausgeführt wurde, danach
ent-standen
Odoaker vor dem heiligen Severin und, im Jahr
1848, die Gründung der Universität Wien(?), Die drei
Erbauer der St. Stephanskirche, und Leopold I. stürmt Melk,
danach wahrscheinlich die beiden Kartons zu den Friesen
mit Marc Aurel und Karl dem Großen. Die Kartons zu 811 Nachdem die Auflistung der auszuführenden Wand- und
Decken-gemälde
in dem Schreiben vom 12. März 1848 von Kübeck an
Talatzko (Niederösterreichisches Landesarchiv, Inv. Nr. 571 P 848)
nicht die Auswahl der einzelnen Herrscher für die
Stichkappen-Porträts
beinhaltet, mussten die Kartons zu den Porträts
wahr-scheinlich
gesondert noch einmal begutachtet und bewilligt
werden.
812 Kupelwieser (1902) p.
13.813
Das vollständige Transskript des Briefes befindet sich im Anhang.
814 Auf die Tradition der Anfertigung von Fresko-Probetafeln wird
auf S. 267ff. genauer eingegangen.
815 Die Probetafel befindet sich im Privatbesitz und wurde am
Öster-reichischen
Bundesdenkmalamt restauriert (Inv. Nr. 6797).
Dan-kenswerter
Hinweis von Manfred Koller (Werkstätten des
Öster-reichischen
Bundesdenkmalamtes).816
Inv. Nr.
7000/341a.817
Auf dem entsprechenden Aquarellentwurf
(Niederösterreichi-sches
Landesmuseum, Inv. Nr. 7000/341) findet sich ein Vermerk
(nicht in der Handschrift des Künstlers): „Dazu Ziegelstein und
Freskoprobe in
Salzburg.“818
Niederösterreichisches Landesarchiv, Reg. A, Präs. d. NÖ. Reg., Zl.
571 P 848 vom 16. Jänner 1848, gez.
Kupelwieser.819
Als Putzträger und Dämm-Material wurde Schilfrohr verwendet.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306