Seite - 217 - in Das zusammengedrängte Gedenken
Bild der Seite - 217 -
Text der Seite - 217 -
217
habe ich mit ihrer Beyhülfe einen großen Theil des Saales
beendet
[…].“821Die
hier erwähnten jungen Leute werden in den
Erinne-rungen
der Tochter Kupelwiesers822 namentlich genannt:
Es handelt sich dabei um Eduard Engerth (geb. 1818),
einst Schüler Kupelwiesers an der Akademie, der 1847
von seinen ausgedehnten Studienreisen nach Wien
zurückgekehrt war, weiters Adam Vogler (geb. 1822), der
an der Akademie unter Joseph von Führich studierte, und
Soldaditsch, zu dem keine weiteren Hinweise in der
Lite-ratur
gefunden werden konnten.
Zunächst galt es, die Komposition von den zumindest
zum Teil schon fertig gezeichneten Kartons an die Wand
zu übertragen. Keiner der Kartons weist jedoch Spuren
eines Übertragungsvorganges in Form von eingedrückten
oder eingeritzten Linien, Perforierungen oder
Einfärbun-gen
auf der Rückseite auf. Es muss daher einen weiterer
Karton hergestellt worden sein, um die Umrisse der
Zeichnungen an die Wand zu übertragen. In schriftlichen
Quellen gibt es wenige Hinweise auf einen derartigen
Ersatzkarton, allerdings scheint es sich um ein damals
übliches Verfahren gehandelt zu haben, das nicht
geson-dert
beschrieben werden musste.
Im Niederösterreichischen Landesmuseum befinden
sich mehrere Umriss-Zeichnungen auf
Transparent-papier,
die Kupelwieser als Übertragungshilfen bei
Gemälden verwendet hatte. Die Papiere dazu wurden
wahrscheinlich durch Imprägnieren mit trocknendem Öl,
gelöstem Naturharz oder einer Mischung davon
herge-stellt.823
(Abb.
294).Auf
diese Transparentpapiere pauste der Künstler die
Umrisslinien seiner Vorzeichnung durch, die er dann
durch Nachritzen mit einem spitzen Gegenstand auf die
weiche Grundierung übertrug. Auf den
Transparent-papieren
sind deutlich mehrere Ritzspuren entlang der
gezeichneten Linien zu
erkennen.Es
ist sehr wahrscheinlich, dass sich Kupelwieser bei
seinen Fresko-Arbeiten einer ähnlichen Technik bediente.
Die Vorritzungen im Fresko selbst haben weiche Kanten
und sind nicht direkt, sondern durch ein Papier hindurch
in den feuchten Putz gesetzt.
Beim Freskieren selbst dürfte Kupelwieser die Kartons
vermutlich in der Nähe gehabt haben, um sich bei der
plastischen Modellierung und der Gestaltung von
Ge-sichtszügen,
Stoffmustern und anderen Details an der
Der Boden sollte mit Blendböden820 belegt werden,
um „den nachteiligen Einfluss des Staubes zu entfernen“
und dem „schaulustige[n] Publikum“ sollte der Zutritt
während der Arbeit verwehrt werden.
Mit den Fresko-Arbeiten im Marmorsaal begann Leopold
Kupelwieser vermutlich im März 1848. Am 13. März
kam es vor dem benachbarten Niederösterreichischen
Landhaus zu Unruhen, die den Beginn der Revolution
markieren.
In einem Brief an die Kaiserwitwe schreibt
Kupelwie-ser
über jene bewegten Tage und seine Arbeit in der
Statthalterei:
„Durch die wahrhaft wunderbare Fügung Gottes habe ich,
während alle Erwerbs Quellen versiegt sind, die Fresko Male
reyen im Saale des neuen Regierungs Gebäudes zu malen,
und dieses Segens überfroh und Gott täglich dafür dankend,
gelang es mir seyt den Märztagen mich bey allen Vorkomm
nißen in mein Asyl der Kunst zu flüchten und der Außenwelt
nur die nöthigste Aufmerksamkeit zu widmen, ich war so
glücklich ein paar junge Leute dazu, und dadurch von Tor
heith und Umtrieben abzuziehen, sie erkannten dieß dankbar
an und indem ich sie mit an der Kunst erwärmte und belebte
Abb. 293: Fresko-Probetafel zu „Das öffentliche Gericht zu Tulln“;
Bildquelle: Österreichisches Bundesdenkmalamt, Wien (Nr. 6797).
820 Blendboden (auch Blindboden) ist ein Belag aus rauen,
minder-wertigen
Brettern, die als Unterkonstruktion für einen Fußboden
dient.821
Zit. nach: Feuchtmüller (1970) p.
56f.822
Kupelwieser (1902) p.
14.823
Siehe Eyb-Green (2009) p. 27ff.
zurück zum
Buch Das zusammengedrängte Gedenken"
Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306