Seite - 15 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Bild der Seite - 15 -
Text der Seite - 15 -
Rahmenbedingungen
Forschungsgeschichte
Wenn wir an den Beginn des Ersten Weltkriegs denken, fallen uns – zumindest in
der Geschichtswissenschaft – in der Regel das Sarajevoer Attentat, die diplomati-
sche Julikrise, die Kriegsbegeisterung, die Bahnhofsbilder, der Burgfrieden sowie
das Hochziehen der einzelnen Fronten ein. Verweilt man kurz bei der allgemeinen
Kriegsbegeisterung, so verstand man darunter in Deutschland lange Zeit eine par-
tei-, milieu-, geschlechter-, konfessionell- und generationsübergreifende Kriegs-
begeisterung. Nachdem in Österreich-Ungarn mehrere „Nationen“ bzw. „Völker“
lebten, sprach die Forschung in diesem Fall auch von einer nationsübergreifen-
den Kriegsbegeisterung. Das einzementierte Bild von einer allgemeinen Kriegsbe-
geisterung hielt sich laut dem im Gedenkjahr 1914–2014 verstorbenen Historiker
Hans-Ulrich Wehler selbst in der Geschichtswissenschaft „mit verblüffender Zäh-
lebigkeit über 80 Jahre hinweg“.1 Der Topos von einem ungetrübten Kriegsenthu-
siasmus, der sich heute noch in einigen wenngleich universitär verankerten, so
doch forschungsresistenten Geschichtsbüchern und in vielen Bildbänden sowie
in einigen Schulbüchern niederschlägt, wurde bereits seit den 1990er Jahren von
mehreren Regionalstudien plausibel in Frage gestellt. Den Kern ihrer Thesen fasst
Jay Winter folgendermaßen zusammen: „In fact, that ‚enthusiasm‘ was strictly lim-
ited to a few days and a narrow part of the population.“2
Die erste breit angelegte Forschungsambition zum Thema „Kriegsbegeisterung“
markiert gewissermaßen der Anfang der 1990er-Jahre aus einer Tagung hervorge-
gangene Sammelband „Kriegsbegeisterung und mentale Kriegsvorbereitung“.3 Die
Mehrheit der Beiträge dieses Tagungsbands kam zu der Einschätzung, dass das
Ausmaß der Kriegsbegeisterung in mehrfacher Hinsicht begrenzt werden kann,
was nicht bedeutet, dass dort, wo kein Kriegsenthusiasmus vorherrschte, der Krieg
1 Wehler (2003), 16.
2 Winter (2006), 146. Allgemeines zur Historisierung des Ersten Weltkriegs in: Meteling (2011);
Winter/Prost (2005). Zu Österreich-Ungarn: Überegger (2004). Einen Einstieg in die Forschun-
gen über die Steiermark im Ersten Weltkrieg bietet: Moll (2004b). Vgl. zudem die „deutschspra-
chige“ Bibliografie zur Geschichte des Ersten Weltkriegs von: Regulski (2005).
3 In diesem Sammelband befanden sich bereits die wegweisenden Aufsätze von: Kruse (1991);
Winter (1991).
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453