Seite - 112 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Sarajevoer Attentat und
Graz112
des kleinsparenden Milieus unternommen wurde (23. Juli bis zum 6. August).210
Ein bevorstehender Krieg mit Serbien stand von nun an mehr denn je im Raum,
wobei die Presse das Ultimatum an sich sowie seine Forderungen nicht erwar-
tet hatte. Über ein etwaiges Eingreifen Russlands aufgrund seines „Drang[s] zum
Mittelmeer“211 sowie über einen „Weltkrieg“212 spekulierten nun auch die bürger-
lichen Redaktionen schlagartig. Mit der Rolle Italiens, Rumäniens und Bulgariens
setzte man sich aber nach wie vor nicht ernsthaft auseinander.
Ultimatum an Serbien
Die bürgerliche Presse quittierte das am 23. Juli erfolgte Ultimatum der öster-
reichisch-ungarischen Regierung positiv. So vernahm das katholische Volksblatt
im Text der Demarche lang ersehnte „kernige deutsche Worte“213 und die einmal
wöchentlich erscheinende Grazer Vorortezeitung bezeichnete ihn als „[s]charf
und gründlich“214. Eine derartige „deutsche“ Sprache hatte man in den Augen der
bürgerlichen Zeitungen schon seit Langem nicht mehr vernommen. So sprachen
auch die deutschnationalen Grazer Blätter von einem „Ultimatum mit sehr harten
Bedingungen“.215 Die betreffenden Forderungen seien dennoch legitim, da Öster-
reich-Ungarn keine Annexion Serbiens anstrebe. Das Tagblatt, das seit Monaten
massiv die Regierung kritisierte, verlautbarte gar am 24. Juli, dass es von nun an
jedwede Regierungs- und Kaiserkritik unterlassen werde: „Aber nun, da es kein
Zurück mehr geben darf, da wir vielleicht an der Schwelle weltbewegender Ereig-
nisse stehen, haben alle Bedenken gegen die Führung unserer Politik, die wir stets
unverblümt kritisiert haben, deren jetziges Tun aber dem Urteile der Geschichte
überlassen werden muß, zurückzutreten gegen das Gefühl der Solidarität mit
dem Staate und dem greisen Kaiser.“216 Die Vorstellung, dass dieses Ultimatum
das Ansehen der Monarchie wieder herstellen würde, war demnach im Tagblatt
210 Siehe das Kapitel: Andrang auf die Geldinstitute.
211 Rußlands Kampfziel, in: Grazer Tagblatt, 23.7.1914, 1.
212 Die Haltung der Deutschen. – Krieg mit Serbien oder Weltkrieg?, in: Grazer Tagblatt, 24.7.1914
(Abendausgabe), 1; England will nur mehr den Weltkrieg verhindern, in: Grazer Volksblatt,
31.7.1914, 1. Vgl. zudem die Schlagzeile: Rußland greift ein!, in: Grazer Volksblatt, 25.7.1914
(Abendausgabe), 1.
213 Hoch Österreich!, in: Grazer Volksblatt, 24.7.1914 (Abendausgabe), 1. Vgl. dazu auch die Disser-
tation von: Bachmann (1972), 24.
214 Das Ultimatum an Serbien!, in: Grazer Vorortezeitung, 26.7.1914, 3.
215 Biegen oder Brechen, in: Grazer Tagblatt, 24.7.1914 (Abendausgabe), 1.
216 Ebd.
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453