Seite - 389 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Pfadfinder und Wandervogel | 389
tag am 8. und 9.
Dezember 1917 in Graz oder die am 7.
Dezember 1917 in Graz ab-
gehaltene steirische Frauen-Landeskonferenz).744 Ich weiß nicht, ob sich das Korps
im Krieg auflöste. Es steht jedoch fest, dass es nach dem Krieg mehrere steirische
„Arbeiterhilfskorps“ bzw. „Fabrik- und Arbeiterwehren“ gab (in Graz, Kapfenberg,
Donauwitz, Leoben und Bruck a.
d. Mur).745 Diese zum Teil bewaffneten „Wehren“
wurden jedoch erst im Herbst 1919 aufgestellt.
Pfadfinder und Wandervogel
Die organisierten Kinder- und Jugendgruppen der einzelnen politischen Strömun-
gen prägten die Grazer Straßen und Plätze massiv. Insbesondere die Pfadfinder
und der deutschnationale Wandervogel forcierten zusammen mit den Soldaten
das Bild von Graz als einem „Feldlager“. Jeder Bereich ihres „herzerhebend[en]
und erfreulich[en]“746 Agitationsspektrums wurde unaufhörlich von der bürgerli-
chen Presse vorgestellt und positiv quittiert. Schlussendlich galten die Pfadfinder
und der Wandervogel den bürgerlichen Zeitungen „als Vertreter der patriotischen
Jugend“747 des Staats. Ein ausschlaggebendes Moment für diese Stilisierung war
unter anderem die Tatsache, dass sich die (uniformierten)748 Pfadfinder, konträr
zu den (sozialdemokratischen) Kinderfreunden, teilweise an den „patriotischen“
Straßenumzügen durch die Grazer Innenstadt beteiligten. Ebenso nahmen sie am
großen Truppenabmarsch aus Graz (11. August) teil.749 Selbstredend wurden die
bürgerlichen Kinder- und Jugendgruppen von der bürgerlichen Presse massiv be-
worben750, zumal sie die Prüfung auf ihre „Einheitstauglichkeit“ problemlos be-
standen hatten. Denn die Pfadfinder sind „eine sehr nützliche Einrichtung [...],
die es verdient, unterstützt zu werden.“751 Analoge Schilderungen finden sich fast
744 Vgl. den Arbeiterwillen und seine Vor- und Nachbesprechungen dieser Versammlungen im De-
zember 1917. Zu den sogenannten Frauentagen und Frauenkonferenzen in der Steiermark vgl.
Schmidlechner/Ziegerhofer/Sohn-Kronthaler/Sonnleitner/Holzer (2017), 23 f., 89 f.
745 Hautmann (1987), 266, 280, 668 f.
746 Unsere Pfadfinder, in: Grazer Mittags-Zeitung, 8.9.1914, 3.
747 Begeisterte patriotische Kundgebungen, in: Grazer Volksblatt, 27.7.1914 (Sonderausgabe), 3.
748 Sofern genug Uniformteile vorhanden waren, bestand die Uniform aus dem Hut, dem Halstuch,
dem Hemd, dem Gürtel und dem Messer. Dass ihre Pfadfinder-Uniform vom Prinzip her dem
„englischen“ Muster (der Boy-Scout-Bewegung) folgte, wurde nicht thematisiert.
749 Abschied, in: Grazer Tagblatt, 11.8.1914 (Abendausgabe), 6.
750 Eine Jugendorganisation für die Tage des Kriegszustandes, in: Grazer Volksblatt, 30.7.1914, 5.
751 Das Pfadfinderkorps „St. Georg“, in: Grazer Volksblatt, 31.7.1914 (Abendausgabe), 3. Vgl. paral-
lel: Das Pfadfinderkorps „St. Georg“, in: Kleine Zeitung, 1.8.1914, 2.
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453