Seite - 40 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Bild der Seite - 40 -
Text der Seite - 40 -
|
Rahmenbedingungen40
eingetreten, das ich aufgrund meiner Quellenauslegung für wissenswert, begrün-
dungsfähig und anschlussfähig halte.120 Ob es sich für kommende Forschungssitu-
ationen bewährt oder ob es von anderen als trivial oder unangemessen bezeichnet
werden wird, vermag ich nicht zu entscheiden. Dies zu gewährleisten, lag auch
nicht in meinem Ermessen, denn die Geschichte lehrt aus meiner Sicht trotz ih-
rer Wiederholungsstrukturen (im Sinne von Reinhart Koselleck) „alles, auch das
Gegenteil.“121 Und diese dem Vernehmen nach pessimistische Grundeinstellung
schafft – zumindest für mich – Orientierung.
Mikrohistorie
Die vorliegende Mikrohistorie122 lässt sich rückblickend als ein ständiges und er-
gebnisoffenes Drehen und Einüben diverser Forschungspraktiken verstehen, das
so lange anhielt, bis ich mich dazu entschied, aus diesem Prozess auszusteigen.
Vorangegangene Forschungsfragen wurden gestrichen, verworfen oder umformu-
liert, diverse theoretische Vorentscheidungen wurden fallengelassen oder neu kon-
zipiert und die Interpretationsspielräume meiner Quellenlektüre wurden so lange
vergrößert und wieder verengt, bis ich eine aus meiner Sicht praktikable Interpre-
tationsschleuse gefunden hatte. Der erst im Laufe der Quellenarbeit ausgelotete
Interpretationsspielraum folgte aber stets der Formel „X interpretiert Y als Z für
U um zu V“, des schwedischen Philosophen Göran Hermerén.123 Der Verweis auf
diese Formel soll aber nicht verschleiern, dass mein Herantreten an die Thematik
eigentlich einem nahezu „ungenierten Eklektizismus“124 glich. Aus diesem Grund
120 Vgl. dazu auch: Pohlig (2008), 39; Daniel (52006), 388 f.
121 Ich verweise hier auf den Aufsatz „Wiederholungsstrukturen in Sprache und Geschichte“ von:
Koselleck (2010c), 109.
122 Allgemeines zu den unterschiedlichen Ausprägungen der Mikrohistorie (Historisierung, Be-
griffsgeschichte, Kontroversen, Chancen und Probleme) sowie zu ihren – wie auch immer de-
finierten – Überschneidungen zu anderen Geschichtsfigurationen (Alltagsgeschichte, Histori-
sche Anthropologie, Landes- und Regionalgeschichte etc.) in: Hiebl/Langthaler (2012); Medick
(2007) und (1996), 12–37; Lüdtke (32007); Schlumbohm (1998); Ulbricht (1994). Besonders er-
giebig waren für mich die Texte von: Borscheid (1990); Meier (1990); Schulze (1988).
123 Hermerén (1983), 142. Die hier übersetzte Formel lautet im Original: „X interprets Y as Z for U
in order to V“.
124 Ich zitiere hier eine Stelle aus dem äußerst lesenswerten Buch „Ego-Histoire?“ von Lutz Nietham-
mer, in dem er über seine Forschungsarbeit reflektiert, vgl. Niethammer (2002), 115. Ebenso ge-
lungen ist der von Alexander Kraus und Birte Kohtz herausgegebene Interviewband „Geschichte
als Passion. Über das Entdecken und Erzählen der Vergangenheit. Zehn Gespräche“ (2012).
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453