Seite - 119 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Verregnete Grazer Straßen im Juli | 119
den Krieg eintreten werden. Schlussendlich war die Rede von einer „Gefahr eines
europäischen Kriegs“ seit dem Ultimatum an Serbien omnipräsent.246
Verregnete Grazer Straßen im Juli
Graz war im Juli 1914 von heftigen „Unwetterkatastrophen“247 und „hunds-
tagsmäßige[r] Schwüle“248 geprägt. Regelmäßig hieß es in den Grazer Zeitungen:
„Fast kein Tag ohne Regen und Gewitter!“249 Rückblickend sprach man im De-
zember 1914 sogar von einer „Hochwasserkatastrophe“.250 Anhaltende, stärkere
Regenfälle erwiesen sich für Graz seit jeher als Problem, zumal die Stadt über
keine Schwemmkanalisation verfügte. Zwar wurde seit den 1870er Jahren bis 1900
das Wasserleitungs- und Kanalnetz mehrfach ausgebaut, aber die 1908 beschlos-
sene Schwemmkanalisation wurde erst 1925 realisiert.251 Und so kam es auch im
Juli 1914 zu etlichen Überschwemmungen und Hagelschäden, die in den Zeitun-
gen und Zeitschriften unweigerlich die „Hochwasserkatastrophe“252 des Vorjahrs
(Mitte Juli 1913) in Erinnerung riefen. Im letzten Friedenssommer waren die Re-
genfälle und Hagelschläge in Graz ebenfalls heftig. Schenkt man den damaligen
Zeitungen Glauben, kam es vor allem am 3. sowie am 16. Juli 1914 zu schweren
Wetterschäden und Überschwemmungen. Der Grazer Volksgarten glich am 3.
Juli
kurzfristig infolge des Hagels einer „Winterlandschaft“ und die Straßenbahn blieb
in der Innenstadt wegen der fußhohen Hagelkörner vorübergehend stecken.253
Wenngleich die Niederschlagsmenge im Juli 1914 dreimal höher als 1913 gewe-
sen sei, fielen die Grazer Hausschäden dennoch geringer aus.254 Nichtsdestotrotz
drangen im Juli 1914 die Wassermassen in sämtliche Kellerwohnungen, Geschäfts-
lokale, Gast- und Kaffeehäuser, Hotels sowie in das Redaktionsgebäude des Arbei-
246 Die Gefahr eines europäischen Krieges, in: Grazer Volksblatt, 2.8.1914, 1.
247 Unwetterkatastrophen, in: Grazer Tagblatt, 24.7.1914 (Abendausgabe), 4.
248 Gewitter, in: Grazer Tagblatt, 12.7.1914, 5.
249 Ebd.
250 Ein Wackerer hingegangen, in: Grazer Mittags-Zeitung, 19.12.1914, 3.
251 Wilding (1998), 343; Dimitriou (1979), 22 sowie generell: Varetza (1980).
252 Vgl. z. B. Die Hochwasserkatastrophe in Graz und Umgebung, in: Grazer Tagblatt, 18.7.1913, 2.
Vgl. auch: Marauschek (1998), 41.
253 Eine Wetterkatastrophe, in: Arbeiterwille, 4.7.1914, 8: „fußhoch“.
254 Zur Unwetterkatastrophe, in: Grazer Tagblatt, 5.7.1914, 5.
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453