Seite - 450 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Schlussbetrachtung450
genen Quellenmaterial zwei Fragenbereiche – Kriegsausbruch/Kriegseinbruch (1)
und Einheitsbildung (2) – mikrohistorisch zu erarbeiten.
Thesen
Die Mikrohistorie untersuchte das Grazer Straßenleben rund um den Ausbruch
des Ersten Weltkriegs und wie sich in weiterer Folge der Burgfrieden (die Ein-
heitsbildung) gestaltete. Im Zuge dessen wurden zentrale Alltagsmomente, wie
beispielsweise die Kriegsbegeisterung, die Kriegsentschlossenheit, die Kriegserge-
benheit, die Kriegsbereitschaft, das „Pflichtbewusstsein“ sowie die vielen Burgfrie-
densschlüsse und -brüche offen gelegt. Dadurch konnte der Transformationspro-
zess von einer fragmentiert militarisierten Gesellschaft im Frieden hin zu einer
Gesellschaft im Krieg in seiner Ungleichzeitigkeit und Unstimmigkeit, aber auch
in seinen Konturen nachgezeichnet werden. Das Ziel war dabei, die damalige so-
ziale Kohäsion in Graz besser als bisher verstehen bzw. erklären zu können. Der
Grazer Alltag lässt sich trotz der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in mehrere
Zeitschichten einteilen, die mittels analytischer Stichtage als Orientierungshilfen
in einem zeitgenössischen Stimmen- und Stimmungsgewirr fungieren:
Das Sarajevoer Attentat – das als Auslöser eines politischen Folgenkonglome-
rats oberster Priorität definiert wurde – löste eine intensive Julidiskussion in der
Grazer Presse aus. Der Wahlkampf zur Grazer Gemeinderatswahl trat aufgrund
von „Sarajevo“ und den vielfach und scharf debattierten historischen „Altlasten“
rund um die Monarchie und den „Balkan“ schnell in den Hintergrund. Die dar-
aus entstandene und scharf geführte Pressepolemik verlief entlang traditioneller
Frontstellungen: a) bürgerlich gegen sozialdemokratisch und b) deutschnatio-
nal gegen klerikal-konservativ. Die Stellungnahmen innerhalb dieser intensiven
Grazer Julipolemik waren polarisierend und politisch desintegrativ. Die Art und
Weise, wie das Attentat und seine „Folgen“ in den Grazer Zeitungen thematisiert
wurde, stellt einen markanten Unterschied zur deutschen oder französischen Pres-
selandschaft dar. Schließlich thematisierte die überwiegende Mehrheit der auslän-
dischen Zeitungen und Zeitschriften das Sarajevoer Attentat nur einige Tage lang.
Nach der Teilmobilmachung (27.
Juli) formierte sich zunehmend und augenfäl-
lig der Topos eines Grazer „Feldlagers“, der unverkennbar auf die sich seit Jahrhun-
derten perpetuierende Stadtfiguration einer Grazer „Garnisonsstadt“ rekurrierte.
Abgesehen von den (an die Etappe oder an die Front aufbrechenden) Soldaten
und (uniformierten) Krankenschwestern verstärkten auch andere Verbände und
Organisationen die Wahrnehmung von Graz als einem „Feldlager“. Dazu zählten
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453