Seite - 187 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Nach dem Truppenabmarsch am 11. August | 187
schriften bleiben aus. Es wird schon bald so, wie es vor einem halben Jahrhundert war
– so ferne ein Land dem andern.“274
Etwaige Versprechen, dass es bald wieder eine regelmäßige Zustellung der Zeitun-
gen geben werde, gaben die Redaktionen nicht. Ein solches konnten sie vermutlich
auch nicht geben, weswegen sie seit den Augusttagen nur um Geduld bzw. um Ent-
schuldigung baten. „Wir bitten daher um Geduld, wenn die Blätter mit ein- oder
zweitägigen Verspätungen eintreffen“ las man beispielsweise in der Tagespost.275
Was in den ersten Kriegswochen eine in der Region verspätet eintreffende Zeitung
für den Einzelnen bedeutete, lässt sich nur erahnen. Regelmäßig mussten die Gra-
zer Redaktionen auf die an sie gerichteten Beschwerden ihrer Leser und Abonnen-
ten eingehen. In diesen Entschuldigungen wies man jedwede Schuld an der Misere
von sich. Verantwortlich für die Verzögerungen wären nicht sie, sondern – je nach
Artikel, den man liest – entweder die Zensur276, die Post277, die Bahn oder alle drei
zusammen. Später machten die Redaktionen auch die lokalen Zeitungsausträger
und Zeitungsausträgerinnen für Zustellungsverzögerung verantwortlich.278
Nach dem Truppenabmarsch am 11. August
Der erste große Truppenabmarsch aus Graz begann am 11. August früh morgens
und ging bis spät in die Nacht hinein. Die scharenweise zum Bahnhof ziehenden
Soldatenabteilungen gaben der „Einheit“ ein reales Gesicht und standen für einen
„Verteidigungskrieg“, in dem Österreich-Ungarn keine längerfristigen territoria-
len Ziele verfolgen würde. Frei nach dem Motto: Alle Menschen machen mit und
274 Heimgärtners Tagebuch, in: Heimgarten (1914), Nr. 1, 63.
275 An alle unsere Abnehmer in der Provinz, in: Tagespost, 5.8.1914 (12-Uhr-Ausgabe), 1.
276 An unsere Leser!, in: Grazer Tagblatt, 21.10.1914, 6: „Da uns wiederholt Klagen über Unregelmä-
ßigkeiten in der Zusendung des [... Tagblatts] zukommen, sei festgestellt, daß wir jede Ausgabe
rechtzeitig und pünktlich auf den Weg bringen, soweit nicht durch die Zensur Verzögerungen
eintreten. [...] Die Unregelmäßigkeiten im Eintreffen der Zeitungen gehören eben zu den Unan-
nehmlichkeiten des Krieges.“
277 An unsere geehrten Abonnenten in der Provinz!, in: Arbeiterwille, 2.12.1914, 3: „Aus einer gro-
ßen Zahl von Beschwerden, die an uns gelangen, entnehmen wir, daß unser Blatt in vielen Or-
ten unregelmäßig eintrifft. Wir bitten, das zu entschuldigen. Die Blätter werden von uns stets
regelmäßig expediert. Da aber die Postkondukteure eingezogen sind und nicht jeder Zug wie
in Friedenszeiten Post befördert, ist es nicht immer möglich, die Beförderung so wie früher zu
bewirken.“
278 An uns[e]re geehrten Abonnenten in der Provinz, in: Arbeiterwille, 1.3.1917, 3.
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453