Seite - 318 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Alltag und
Einheitsprüfungen318
interkonfessioneller Einsegnungshalle.366 Bis 1918 mussten die Einäscherungen
daher außerhalb der k. u. k. Monarchie durchgeführt werden. In den Todesan-
zeigen und Todesnachrichten der Zeitungen finden sich daher vereinzelt Verstor-
bene, deren Leichname außerhalb der Monarchie, zum Beispiel in Zittau (Žitava),
München, Dresden oder St. Gallen, eingeäschert wurden.367
Verlustlisten
Der Tod schrieb sich auch durch die Verlustlisten in den Alltag ein. Die Listen
lagen prinzipiell im Ergänzungsbezirks- und Landsturmkommando, auf den Be-
zirksgerichten, den Gemeindeämtern, den Bezirkshauptmannschaften sowie in
den Zeitungsredaktionen zur Einsichtnahme auf.368 Überdies wurden sie auf An-
schlagtafeln und Litfaßsäulen plakatiert. Seit dem 20. August durften die Listen
in der Presse abgedruckt werden und die erste tabellarische Verlustliste erschien
auch prompt an diesem Tag. Ausgewiesen wurde sie unter der Bezeichnung „Of-
fizielle Verlustliste der gefallenen oder verwundeten Soldaten in den ersten drei
Listen vom 1. bis 9.
August“ und sie umfasste sieben Tote und acht Verletzte.369 Die
Verlustlisten stellten keine offiziellen „Totenscheine“ dar.370 Es dauerte nicht lange,
bis sich herausstellte, dass die Listen kein zuverlässiges Mittel zur Ermittlung bzw.
zur Feststellung eines verstorbenen, verwundeten oder vermissten Soldaten waren.
Dieser Umstand ist auf die Heerespolitik zurückzuführen, die nicht zuletzt wegen
366 Vgl. den Lexikonartikel „Zentralfriedhof“ in: Reismann/Mittermüller (2003), 542.
367 Vgl. z. B. Todesfälle, in: Grazer Tagblatt, 15.6.1914 (Abendausgabe), 2.
368 Vgl. z. B. Einsichtnahme in die Verlustliste, in: Arbeiterwille, 5.9.1914, 6.
369 Offizielle Verlustliste der gefallenen oder verwundeten Soldaten in den ersten drei Listen vom 1.
bis 9. August, in: Kleine Zeitung, 20.8.1914, 4, 5 [d. h. in diesem Fall Bogenmitte]. „Freilich“ gab
es zuvor bereits Todesanzeigen von einzelnen Verstorbenen. Zudem gab es in den Grazer Tages-
zeitungen auch „inoffizielle“ Bezugnahmen zu den im Entstehen begriffenen Verlustlisten, vgl.
z.
B. den Vermerk: Die ersten drei Verlustlisten, in: Grazer Tagblatt, 18.8.1914 (Abendausgabe), 2.
370 Verordnung des Justizministeriums vom 3. August 1914 über die Verlustlisten, in: Verordnungs-
blatt des k.
k.
Justizministeriums (7.8.1914), 458: „Die Verlustlisten ersetzen nicht die Standesur-
kunden (Totenscheine). Die authentische Beurkundung des Todes wird auch hinsichtlich der
im Kriege gefallenen oder in Anstalten verstorbenen Personen des Soldatenstandes von dem
zuständigen Seelsorger (Matrikenführer) auf Grund der von der Militärverwaltung gelieferten
Nachweise vorgenommen. Die Verlustlisten können aber den Gerichten in vielen Fällen (bei der
Abhandlungs- und Vormundschaftspflege, im Verfahren zur Todeserklärung oder zum Beweise
des Todes, im strafgerichtlichen Verfahren u.
a.) als Behelfe dienen, wenn der urkundliche Nach-
weis des Todes nicht notwendig, eine Bescheinigung aber von Wert ist.“ Ein Abriss über die
Militärseelsorge (und Matrikenführung) in: Wagner (1987), 532–539.
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453