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52 Bereinigte Transkription:
Aber von der Landwirtschaft, das brauch ich nicht erzählen, wie es halt die Monta-
foner alle gehabt haben, hat man nicht können übertrieben leben, und größere Fami-
lien erhalten. Aber, ich muss sagen, wir haben immer, das muss ich heute noch den
Eltern, insbesonders auch der Mama danken, wir haben immer zu Essen gehabt,
ordentlich, das trau ich mich nicht … Selbst, wo der Krieg dann noch gekommen ist,
haben wir durch Zusammenhalten, durch Arbeiten, hat man halt doch können …
Man hat dann müssen natürlich auch Helfer haben, so zum Heuen und so, haben wir
dann Nachbarsfrauen gehabt. Und die sind dann, ob sie Kinder gehabt haben, sind
dann alle gekommen, so als Taglöhner haben sie dann geholfen, beim Heuen oder
beim „Erdöpfelstecka“ [Kartoffeln anbauen, Anm.].
Für die vorliegende Arbeit wurden für die Analysen im Idealfall die Transkripte
verwendet. Wo diese nicht vorlagen, musste auf die sogenannten „Protokolle“, d.h.
die inhaltlichen Zusammenfassungen der Interviews, zurückgegriffen werden. Es
überstieg sowohl die Kapazitäten des Teams und meiner Person als auch die finan-
ziellen Ressourcen des Projektes, für diese Forschungsarbeit alle 67 Interviews
zur Gänze und einheitlich zu transkribieren bzw. transkribieren zu lassen. Für die
Analysen wurden daher zu den Protokollen und den Transkripten zusätzlich die
Tonaufnahmen herangezogen, die ja die Abschriften an Authentizität ohnehin bei
Weitem übertreffen. Die für eine detaillierte Analyse relevanten Interviewpassagen
wurden in der Folge separat transkribiert.
2.1.3. Statistischer Überblick über die biografischen Interviews
Im Rahmen der 67 biografischen Interviews wurden insgesamt 66 Personen inter-
viewt, wobei zwei Personen zwei Mal interviewt wurden und in einem Interview
zwei Personen gleichzeitig interviewt wurden. Die Verteilung der Geschlech-
ter macht ein Problem deutlich, das im Rahmen von Oral-History-Erhebungen
schon vielfach festgestellt und auch untersucht wurde: 50 Männern stehen nur 16
befragte Frauen gegenüber, das ist gerade einmal ein Viertel der ZeitzeugInnen.
Diese Schieflage in der Statistik ist auf verschiedene Ursachen zurückzuführen.
Wie bereits erwähnt, wurden die Gewährspersonen in den meisten Fällen von
lokalen Autoritäten oder bereits interviewten Personen empfohlen. Das soziale
Profil der Befragten spiegelt in gewisser Hinsicht also das Bild der Gesellschaft von
Personen, die als bedeutend erscheinen, die vermeintlich „gut erzählen“ können
und die etwas „Interessantes“ zu erzählen haben. Zu dieser Gruppe werden Frauen
offenbar nur selten gezählt.
Die in den Stammdatenblättern erhobenen Angaben zu den Berufen, die in einer
ländlichen Region mit Sicherheit als ein wichtiges Merkmal einer Persönlichkeit
angesehen werden, bestätigen einerseits, dass Personen, die aufgrund ihres Berufes
im öffentlichen Leben stehen – wie beispielsweise Lehrer, aber auch Menschen, die
ein Handwerk ausüben –, stärker repräsentiert sind als beispielsweise Bauarbeiter
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Titel
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Untertitel
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 15.8 x 23.4 cm
- Seiten
- 464
- Schlagwörter
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439