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Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert - Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
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324 hat man nicht vergewaltigen müssen“. Diese Haltung wird auch bei der Erzähle- rin UF deutlich, die davon spricht, wie die Montafonerinnen den Soldaten schöne Augen gemacht und sich Vorteile verschiedenster Art erhofft hätten. UF lehnt vehement ab, hier von „Liebe“ zu sprechen, und setzt noch nach, wie sehr sie sich für die gleichaltrigen Frauen geschämt hätte. Diese Ausschnitte bestätigen die auch in der Literatur umfassend dokumentierte Diskriminierung von Frauen, die sich mit dunkelhäutigen Besatzungssoldaten einließen.408 Männliche Erzähler stellen die Liebesbeziehungen oft leicht ironisch dar. Sie drücken kaum je derart starke Ablehnung aus wie die Erzählerinnen und bewer- ten sie als kurze, vielleicht etwas bizarre Episode der Montafoner Geschichte. CC spricht im obigen Ausschnitt zwar possessiv von „unseren Frauen“, die sehr beein- druckt von den französischen Soldaten waren, gleicht diese Sympathie allerdings erzählerisch aus, indem er mit einer schwankartigen Erzählung aufzeigt, dass auch einheimische Männer dem Lebenswandel der französischen Soldaten verfallen konnten und Familien in Krisen gestürzt wurden. 3.4.34. Entnazifizierung Die Erinnerungen an ein tendenziell freundschaftliches Verhältnis zu den franzö- sischen Soldaten spiegeln die äußerst kooperative Haltung der Besatzungsmacht gegenüber Vorarlberg wider. Frankreich war nicht in der Lage, das Land aus eige- ner Kraft mit Hilfsgütern zu versorgen, und bemühte sich daher, die Wirtschaft im Land anzukurbeln, damit Vorarlberg wenigstens einen Teil der Nahrungsmit- tellieferungen selbst finanzieren konnte.409 Frankreich zeigte sich allerdings auch in einem zweiten Punkt (gemeinsam mit den Alliierten) sehr kooperativ, näm- lich in seiner Haltung in Bezug auf die Entnazifizierung. Mit der Kapitulation des Deutschen Reiches drehte sich der Wind für viele, die bisher den Ton angegeben hatten. Zunächst wurde eine französische Militärregierung eingerichtet, unter der schon bald eine provisorische Landesregierung eingesetzt wurde, die den umge- henden Aufbau einer neuen rechtsstaatlichen Verwaltung anstrebte. Die militäri- schen Befehlshaber bemühten sich einerseits um Ruhe und Ordnung in den ihnen zugeteilten Gebieten und begannen andererseits sofort mit der Auflösung natio- nalsozialistischer Organisationen und Gliederungen sowie mit der Internierung führender Nationalsozialisten.410 Dazu zählten beispielsweise Gestapomitarbei- terInnen, ParteifunktionärInnen, Bürgermeister, LandrätInnen, Spitzenbeamte, TrägerInnen nationalsozialistischer Auszeichnungen etc.). In Vorarlberg betraf allein die Pflicht zur Registrierung als AngehörigeR einer nationalsozialistischen 408 Lechhab: Marokkanische Besatzungskinder. S. 181f. Vgl. Bauer, Ingrid: „Leiblicher Vater: Amerikaner (Neger).“ Besatzungskinder österreichischer-afro- amerikanischer Herkunft. In: Niederle, Helmuth u.a.: Früchte der Zeit. Afrika, Diaspora, Litera- tur und Migration. Wien 2001. S. 49–67. 409 Feurstein, Christian: Wirtschaftsgeschichte Vorarlbergs von 1870 bis zur Jahrtausendwende. Konstanz 2009. S. 47. 410 Eisterer, Klaus: Die französische Besatzungszeit. In: Vorarlberg Chronik. Dornbirn 20053. S. 243.
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Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Untertitel
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Verlag
StudienVerlag
Ort
Innsbruck
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
15.8 x 23.4 cm
Seiten
464
Schlagwörter
Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
Kategorie
Geographie, Land und Leute

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Einführung 13
  3. 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
    1. 1.1. Potenzial und Grenzen des biografischen Interviews 18
    2. 1.2. Entstehung und Funktion von Erinnerungen 22
      1. 1.2.1. Wahrnehmung 22
      2. 1.2.2. Kollektives, kulturelles, kommunikatives, autobiografischesGedächtnis 25
      3. 1.2.3. Erinnerung 29
    3. 1.3. Spezifika von Erzählungen im Rahmen lebensgeschichtlicher Interviews 31
      1. 1.3.1. Vom Erzählen zur Erzählung 32
      2. 1.3.2. Spezifika von Erzählungen im narrativen Interview 34
      3. 1.3.3. Spezifika lebensgeschichtlicher Erzählungen 35
    4. 1.4. Potenzial der Erinnerungserzählungen 42
  4. 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
    1. 2.1. Zur Entstehung des Quellenmaterials 47
      1. 2.1.1. Der Idealtyp des narrativen Interviews und die Praxis 48
      2. 2.1.2. Die Arbeit mit dem erhobenen Quellenmaterial 50
      3. 2.1.3. Statistischer Überblick über die biografischen Interviews 52
    2. 2.2. Erinnerungspraxis und Erzähltradition: Definition und Forschungsziel 55
      1. 2.2.1. Zur Methodik der Auswertung und Analyse 58
      2. 2.2.2. Zur Darstellung der Ergebnisse 60
  5. 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
    1. 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
    2. 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
    3. 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
    4. 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
      1. 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
      2. 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
      3. 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
      4. 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
      5. 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
      6. 3.4.6. Modernisierung 112
      7. 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
      8. 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
      9. 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
      10. 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
      11. 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
      12. 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
      13. 3.4.13. Autoritäten 183
      14. 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
      15. 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
      16. 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
      17. 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
      18. 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
      19. 3.4.19. Repressives NS-System 230
      20. 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
      21. 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
      22. 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
      23. 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
      24. 3.4.24. Gefangenschaft 263
      25. 3.4.25. Heimkehr 268
      26. 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
      27. 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
      28. 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
      29. 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
      30. 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
      31. 3.4.31. Kriegsende 301
      32. 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
      33. 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
      34. 3.4.34. Entnazifizierung 324
      35. 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
      36. 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
      37. 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
      38. 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
      39. 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
      40. 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
      41. 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
      42. 3.4.42. Liebe und Ehe 370
      43. 3.4.43. Geburt der Kinder 381
      44. 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
      45. 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
      46. 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
      47. 3.4.47. Naturkatastrophen 400
      48. 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
      49. 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
      50. 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
  6. 4. Zusammenfassung und Synthese 421
    1. 4.1. Erzählstoffe und Leitlinien 422
      1. 4.1.1. Die 50 Erzählstoffe einer Durchschnittsbiografie 424
      2. 4.1.2. Ein Leben geprägt von Wandel 427
      3. 4.1.3. Arbeit als Lebensthema 428
      4. 4.1.4. Männer- und Frauenerzählungen 429
      5. 4.1.5. Geschichtliches und Lebensgeschichtliches 430
    2. 4.2. Erzählstrukturen und -strategien: Rechtfertigung, Idyllisierung, Vergleich 432
  7. 5. Verzeichnisse und Nachweise 439
    1. 5.1. Liste der anonymisierten ZeitzeugInnen 439
    2. 5.2. Literaturverzeichnis 440
    3. 5.3. Internetquellen 454
    4. 5.4. Abbildungsverzeichnis 454
    5. 5.5. Ortsregister 458
    6. 5.6. Personenregister 461
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