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THEORIE UND METHODE 45
Einerseits arbeiten alle drei Autoren überzeugend heraus, dass die Erfahrungen
vieler Spieler den Fremdzuschreibungen von außen widersprechen. Zudem lie-
fern diese Studien insbesondere im Bereich der wettkampf
orientierten Spiele wei-
terführende Beobachtungen. Und natürlich sind sie immer auch im Kontext der
Killerspiel-Debatte zu lesen, innerhalb derer sie ein Gegengewicht zu den negativ
wertenden Thesen bilden möchten. Doch ihr Umgang mit dem Gewaltbegriff ist
analytisch problematisch, insofern hier von Gewalt vor allem gesprochen wird,
um letztlich ihr Nicht-Vorhandensein feststellen und entsprechende Spiele für
unbedenklich erklären zu können. Genau wie vorschnelle Urteile über die mög-
lichen Gefahren entsprechender Spiele verhindern auch solche Anti-Medienwir-
kungs-Thesen eine weiterführende Definition des Untersuchungsgegenstands.
Damit sollen die individuellen Wahrnehmungen, Deutungen und Erfahrun-
gen der Spieler keinesfalls aus der vorliegenden Studie verbannt werden, aber sie
werden erst in einem zweiten Schritt zum zentralen Gegenstand der Untersu-
chung.139 Setzt man sich zur Aufgabe, jenseits von Wertungen ein angemessenes
Verständnis für die mit Computerspielgewalt gemachten emotionalen Erfahrun-
gen zu entwickeln, dann muss zuerst ein möglichst wertneutraler und jenseits
individueller Wahrnehmungen definierbarer Untersuchungsgegenstand bereit-
gestellt werden.
Angesichts der genannten Probleme stellt sich die Frage, ob die analytische
Verwendung des Gewaltbegriffs überhaupt notwendig und sinnvoll ist. Ich bejahe
beides. Für sinnvoll halte ich die Verwendung des Gewaltbegriffs, weil so, auch
wenn hier explizit von Wertungen sowie von Medienwirkungsthesen Abstand
genommen wird, die Anschlussfähigkeit an entsprechende (Wirkungs-)Studien
und auch wertende (medienpädagogische oder journalistische) Texte erhalten
bleibt. Dahinter verbirgt sich die Hoffnung, dass das bereitgestellte Material auch
KollegInnen aus anderen Disziplinen und interessierten JournalistInnen dabei
helfen könnte, die ihren Studien zugrundeliegenden Praktiken besser zu ver-
stehen. Notwendig ist sie dagegen, weil schlicht kein genauso präziser Begriff
als Grundbaustein für die zu beschreibenden Prozesse existiert. Spräche man
beispielsweise ausschließlich von „Kämpfen“, wären relevante Prozesse wie ein-
seitige physische Verletzungen, Jagd, Flucht, Folter, Selbstmord des Avatars (die
alle in Computerspielen vorkommen) ausgeschlossen. Ein Begriff, der all diese
verschiedenen Prozesse bündelt, ist jedoch entscheidend, will man ihre Gemein-
samkeiten in den Blick nehmen. Diese erschöpfen sich nicht in einer neutralen
Symbolfunktion. Im Gegenteil hat die Gewalt in Computerspielen durchaus spe-
zifische Bedeutungs- und Emotionspotenziale, die in der vorliegenden Arbeit
analytisch herausgearbeitet werden.
139 | Im Bereich der Film- und Fernsehrezeptionsforschung geht Werner Früh ganz ähn-
lich vor und trennt die Analyse der Medieninhalte von der Untersuchung ihrer Rezeption.
Vgl. Früh: Gewaltpotentiale des Fernsehangebots, S. 33-34.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364