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DRAMATISCH UND DEVIANT 259
Potenzial für bestimmte Arten und Weisen des Fühlens in Bezug auf bestimmte
Zusammenhänge in sich und wird im Rezeptionsakt auf das narrative Angebot
übertragen, um dabei emotionale Erfahrungen zu mobilisieren.
Wendet man dieses Denkmodell auf die Analyse von Computerspielgewalt an,
tritt deren narrative Funktion deutlicher hervor. In unserem Alltag ist die Aus-
übung physischer Gewalt mit Vorstellungen von Recht und Unrecht beziehungs-
weise mit einem spezifischen common sense verbunden, was bei einem Bruch der
entsprechenden Regeln Gefühle der mit Traurigkeit vermischten Wut und Em-
pörung mobilisieren kann. Zu Unrecht ausgeübte physische Gewalt gilt uns da-
bei als besonders drastische Form der Widerfahrnis von Ungerechtigkeit. Unsere
Körper sind so habitualisiert, dass sie eine spezifische Art des Fühlens in Bezug
auf diese Ungerechtigkeit nahelegen. Beim Spielen von Actiongames wird dieses
inkorporierte Gefühlswissen auf das angebotene Narrativ übertragen – vorausge-
setzt die Spieler lassen sich darauf auch ein. So kann die als ungerecht inszenier-
te Widerfahrnis virtueller Gewalt dramatische Erfahrungen der mit Traurigkeit
vermischten Wut oder Empörung mobilisieren. Im Gegensatz zur Literatur- oder
Filmrezeption verflechtet sich der Transfer der inkorporierten Gefühlswissens-
bestände beim Computerspielen zusätzlich mit der aktiven Teilnahme am Ge-
schehen. Zumindest in manchen Fällen, wie in obigem Beispiel aus Battlefield 3,
beobachtet man die ungerechte Gewalt nicht nur, sondern sie widerfährt einem
durch den Avatar auf virtuell-körperliche Weise.
Beschimpfungen
Die dem eigenen Avatar oder seinen computergesteuerten Freunden und Famili-
enmitgliedern widerfahrene Ungerechtigkeit wird von Let’s Playern regelmäßig
in eine emotionale Abneigung gegen die computergesteuerten Gegner überführt
und als solche auch zur Sprache gebracht. Ausschlaggebende kommunikative
Emotionspraxis ist dabei das permanente Beschimpfen der Gegner. Etwa 40%
aller analysierten Kampfsequenzen in LP-Videos enthalten eine oder mehre-
re Beleidigungen. Dabei schwanken sowohl Frequenz als auch Zuspitzung der
Beschimpfungen stark. In Sarazars LP-Reihe zu Battlefield 3 enthalten beispiels-
weise weniger als 30% der Kampfsequenzen eher gemäßigte Beschimpfungen
wie „Drecksack“, „Sau“, „Arsch“, „Terroristenpack“, „Terroristchen“, „Wurm“ oder
„Halunke“. In Brammens LP-Reihe zu Battlefield 4 finden sich dagegen in etwa
65% der Kampfsequenzen verhältnismäßig drastische Schimpfwörter wie „chine-
sische Bastarde“, „Chinesenfucker“, „Krötenficker“, „geile Hundefresser“, „Wich-
ser“, „Wichspanzer“, „Kotfresser“, „Lutscher“, „Bitch“, „Nutte“, „Hure“, „Schlam-
pe“ oder „Spasti-Motherfucker“.
Wo das widerfahrene Unrecht narrativ besonders deutlich dargestellt wird,
können sich auch solche Beschimpfungen noch steigern. In der LP-Reihe zu
Battle field 4 wird beispielsweise nach einem Gefecht in einer Zwischensequenz
der (wie sich später herausstellt nur vermeintliche) Tod eines Kameraden des
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364