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Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
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AMBIVALENT 311 teln: „Alter ... Ich sitz hier grad ein bisschen fassungslos.“ Der Gefolterte verrät eine weitere Information und als Avatar Michael tötet Gronkh letztendlich die gesuchte Zielperson. Dann erst ist alles vorbei. In dieser Sequenz-Abfolge vermischen sich alle oben beschriebenen Arten negativ gedeuteter Erfahrungen. Die Let’s Player zeigen sich schockiert über die Drastik der Gewaltrepräsentation, haben Mitleid mit dem Opfer, artikulieren so- gar emphatisch dessen Schmerz, und vor allem zeigen sie ernsthaften Wider- willen gegen die eigene virtuelle Tätigkeit, die ihnen durch das Spiel gewisser- maßen aufgezwungen wird (vorausgesetzt, sie wollen im Haupthandlungsstrang weiterkommen). Zugleich vermischen sich diese negativ gedeuteten mit humor- vollen Erfahrungen, woraus sich in diesem Beispiel ein besonders ausgeprägtes Changieren zwischen beiden Erfahrungsfacetten ergibt. In unserer Gesellschaft gültige feeling rules sind dahingehend eindeutig, dass Folter keine positiv gedeu- teten Gefühle mobilisieren darf (vgl. auch Kap. 5.3). In der Sequenz mit dem Auto-Starterkabel – darauf weisen die kommunizierenden Emotionspraktiken der Let’s Player hin – erzeugt genau diese Klarheit eine besonders kontrastreiche Inkongruenz der emotionalen Erfahrungen. Die Abscheu gegenüber der virtuell ausgeführten Tätigkeit bricht sich an der plötzlich durchgeführten, scheinbar ne- ckischen Tätigkeit des In-die-Brustwarze-Zwickens und wirkt für die Let’s Player besonders komisch. Im Endeffekt überwiegt hier aber nicht die humorvolle, son- dern die negative Deutung der Erfahrung. Diese bereitet hier zugleich einen Reflexionsprozess vor. Denn im Gegensatz zu anderen Sequenzen, wie beispielsweise dem „Kein Russisch“-Level (s.o.), wird die Foltersequenz anschließend durch das Spielnarrativ in ihrer Bedeutung hin- terfragt. Trevor soll nach der Folter, die er sichtlich genießt, den Gefangenen töten und die Leiche verschwinden lassen. Während er ansonsten als rücksichtsloser Massenmörder dargestellt wird, zeigt er hier unvermittelt seine mitfühlende Sei- te, fährt den Gefolterten zum Flughafen und hilft ihm so zu entkommen. Auf der Fahrt hält Trevor eine Art selbstreflexiven Monolog über den Sinn von Folter, die ihm zufolge eine denkbar ungeeignete Methode der Informationsbeschaffung ist. Vielmehr gehe es – mit dem Begriff dieser Arbeit gesprochen – um das Ver- gnügen daran. Trevor: „You torture for the good times! We should all admit that.“38 Dieser Spruch artikuliert den oben bereits angesprochenen Bruch eines eigent- lich unverrückbaren Tabus: Foltern darf keine guten Gefühle auslösen. Dass sie es bei Trevor dennoch tut und der Spieler diesen Avatar steuern muss, trägt zu den äußerst ambivalenten Erfahrungen der Let’s Player bei. Aus dieser Situation heraus beginnen sie nun, sich kritische Fragen zu stel- len.39 Sarazar: „Das ist echt heftig. Also diese Mission [die Spielsequenz, C.B.] 38 | Ebd., 21:30-21:40. https://www.youtube.com/embed/buBF-6aanO4?start=1290& end=1300 39 | Ebd., 22:00 -22:53. https://www.youtube.com/embed/buBF-6aanO4?start=1320& end=1373
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Gewalt im Computerspiel Facetten eines Vergnügens
Titel
Gewalt im Computerspiel
Untertitel
Facetten eines Vergnügens
Autor
Christoph Bareither
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-8394-3559-5
Abmessungen
14.8 x 22.5 cm
Seiten
370
Schlagwörter
Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. Einleitung 7
  2. 2. Theorie und Methode 15
    1. 2.1 Vergnügen 15
      1. 2.1.1 Pleasure 16
      2. 2.1.2 Praktiken 18
      3. 2.1.3 Doing Emotion 24
      4. 2.1.4 Emotionale Erfahrungen 33
    2. 2.2 Ludisch-virtuelle Gewalt 39
      1. 2.2.1 Zum Problem individueller Wahrnehmung 40
      2. 2.2.2 Physische Gewalt 47
      3. 2.2.3 Virtuelle Gewalt 51
      4. 2.2.4 Ludische Gewalt 58
    3. 2.3 Forschungsdesign 63
      1. 2.3.1 Eingrenzungen 64
      2. 2.3.2 Teilnehmende Beobachtung online und offline 65
      3. 2.3.3 Qualitative leitfadengestützte Interviews 75
      4. 2.3.4 Let’s Play-Videoanalyse 77
      5. 2.3.5 Analyse von Computerspielzeitschriften 83
      6. 2.3.6 Softwaregestützte Analyse ethnografischer Daten 85
      7. 2.3.7 Abgrenzungen 89
  3. 3. Virtuell-körperlich 93
    1. 3.1 Angriff 93
      1. 3.1.1 Effektstaunen 94
      2. 3.1.2 Einschlagslust 101
      3. 3.1.3 Avatare als Medien virtuell-körperlicher Erfahrung 108
      4. 3.1.4 Gekonntheit und Eleganz 115
      5. 3.1.5 Dominanz 126
      6. 3.1.6 ‚Männliche‘ Erfahrungen 137
    2. 3.2 Widerfahrnis 147
      1. 3.2.1 Stress, Spannung und Schreck 147
      2. 3.2.2 Affizierung 157
      3. 3.2.3 Schmerz und Tod 167
    3. 3.3 Aufrüstung 174
      1. 3.3.1 Waffe, Rüstung, Kampfmaschine 174
      2. 3.3.2 Looten und Leveln 190
  4. 4. Kompetitiv und kooperativ 199
    1. 4.1 Besser sein 199
      1. 4.1.1 Highscore 200
      2. 4.1.2 Player versus Player 205
    2. 4.2 Zusammenhalten 222
      1. 4.2.1 Gemeinsam kämpfen 224
      2. 4.2.2 Emotional Communities 235
  5. 5. Dramatisch und deviant 247
    1. 5.1 Einfühlen 247
      1. 5.1.1 Sich-Einlassen und Sich-Distanzieren 248
      2. 5.1.2 Traurigkeit und Wut 253
      3. 5.1.3 Gerechte Gewalt 261
    2. 5.2 Feinde machen 266
      1. 5.2.1 Abneigung und Hass 266
      2. 5.2.2 Dynamik der Rache 272
    3. 5.3 Überschreiten 279
      1. 5.3.1 Humorvolle Inkongruenzen 281
      2. 5.3.2 Ärgern und Trollen 293
  6. 6. Ambivalent 297
    1. 6.1 Ablehnen, rechtfertigen, genießen 297
      1. 6.1.1 Von der Ablehnung zur Akzeptanz 297
      2. 6.1.2 Positive Deutungen 301
    2. 6.2 Sich schlecht fühlen 304
      1. 6.2.1 Schockierung, Mitleid und kritische Reflexion 306
      2. 6.2.2 Schuld 313
  7. 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
  8. Literatur und Anhang 333
  9. Literatur 333
  10. Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
  11. Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
  12. Verzeichnis der geführten Interviews 364
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