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VIRTUELL-KÖRPERLICH 145
onalen Prozess. Sie lässt die Spieler ihre Dominanzerfahrungen gewissermaßen
radikalisiert zur Sprache bringen und dadurch auch – folgen wir William Reddy
(vgl. Kap. 2.1.3) – mitgestalten und intensivieren. Oder sie unterstützt die Spieler
durch genau diese Radikalität bei der als humorvoll gedeuteten Transgression von
Gefühlsregeln, die später in Kapitel 5.3 genauer diskutiert wird. Die von manchen
Spielern genutzte Bezugnahme auf jene klischeehafte Variante eines als männ-
lich konnotierten Fühlens scheint also, so legen es die Materialien nahe, vor allem
eine Art Unterstützungsfunktion einzunehmen, die andere Erfahrungsfacetten
bereichern kann.
„Auch mal ‚Bäm!‘ machen.“
Konsequenterweise muss man hier weiterfragen, ob nicht auch weibliche Spiele-
rinnen durch die Umsetzung bestimmter Arten des doing gender ihr Vergnügen
an Computerspielgewalt bereichern können. Da die vorliegende Studie der Struk-
tur des Feldes entsprechend verhältnismäßig wenig Material zu den Praktiken
weiblicher Spielerinnen gesammelt hat, kann hierzu zwar nur mit Vorbehalt ar-
gumentiert, aber trotzdem die Frage nach der Möglichkeit solcher Zusammen-
hänge grundsätzlich bejaht werden.
Dafür ist zuallererst anzuerkennen, dass weibliche Spielerinnen genauso viel
Spaß an Computerspielgewalt haben können wie männliche Spieler. Die oben
bereits genannten evolutionsbiologischen Ansichten, dass Computerspielgewalt
männlichen Spielern vor allem aus genetischen Gründen besonderes Vergnügen
bereite, werden zwar auch von manchen Spielerinnen geteilt, doch dabei können
sich zugleich vielsagende Widersprüche auftun. Als ich im Interview nach mögli-
chen Unterschieden zwischen männlichen Spielern und weiblichen Spielerinnen
frage, meint beispielsweise die Spielerin Julia, die im MMORPG unter anderem
eine schwer gepanzerte Kriegerin spielt: „Das liegt dann wohl an unseren Ge-
nen, aber da muss ich sagen, bin ich weniger Frau, weil ich dann doch nicht so
ein Friede-Freude-Eierkuchen-Mensch bin.“ (IV7) Dass Julia sich hier als „weni-
ger Frau“ versteht, weil sie Vergnügen an Computerspielgewalt hat, verweist auf
die Wirkmacht eines Diskurses, der weiblichen Spielerinnen die Fähigkeit zum
Vergnügen an Computerspielgewalt abspricht und sie männlichen Spielern mit
besonderem Nachdruck unterstellt.
Im Bereich der ethnografischen Fußballfanforschung hat die Kulturwissen-
schaftlerin Almut Sülzle bereits mit einem ähnlichen Vorurteil in Bezug auf
weibliche Fußballfans aufgeräumt. Sie stellt fest:
„dass die ‚gewaltige Stimmung‘ [gemeint ist in etwa, eine gewaltgeladene Stimmung,
C.B.] der Fankultur und die Freude am gefährlichen Ruf der eigenen Fanszene für Frauen
wie Männer in derselben Weise attraktiv sind. Die ‚gewaltige Stimmung‘ kommt ohne
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364