Seite - 23 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Bild der Seite - 23 -
Text der Seite - 23 -
Forschungsgeschichte | 23
wie die deskriptiv-kalendarischen Kurzaufsätze über den Kriegsbeginn41 nicht den
Stellenwert der Augustforschung innerhalb der Forschung zum Ersten Weltkrieg.
Schließlich waren es die Augustforschungen der 1990er-Jahre, die zum ersten
Mal großflächig den als selbstverständlich aufgefassten Topos von der allgemei-
nen Kriegsbegeisterung untersuchten. Dabei stellte sich heraus, dass die Kriegs-
begeisterung mehrere Dimensionen und mehrere Grenzen hatte. Bereits Mitte der
1990er-Jahre beschrieb daher Hans Mommsen die Kriegsbegeisterung in Deutsch-
land wie folgt:
„Die nationalistische Begeisterung, die in spontanen öffentlichen Demonstrationen
zum Ausdruck kam, erfasste keineswegs alle Bevölkerungsschichten gleichermaßen.
[...] Kriegsbegeisterung war stets gepaart mit Sorge und Bedrückung, sie wurde offenbar
bloß von einer Minderheit vornehmlich der städtischen Bevölkerung getragen. Den-
noch entsprach sie weitgehend der Stimmung des Augenblicks. Die Mehrheit der Bevöl-
kerung nahm die Nachricht von der Mobilmachung nicht enthusiastisch, sondern mit
großem Ernst und tiefer Besorgnis auf.“42
Die Augustforschung lieferte bereits eine Vielzahl an Aufsätzen, des Weiteren ei-
nige Sammelbände und wenige Monografien. Bis heute existieren vor allem Au-
guststudien über Deutschland, Frankreich und Großbritannien (exklusive der
zum Teil winterlichen Kolonien und Dominions).43 Bis auf wenige Ausnahmen
stammen sie alle aus dem geschichtswissenschaftlichen Bereich. Nennenswerte
Studien oder zumindest erste Forschungsnuancen über die Reaktionen auf den
Kriegsbeginn in Russland, im „Baltikum“, in Italien (Mai 1915) oder in der neut-
ralen Schweiz sind noch seltener als jene über die Aufnahme des Kriegsbeginns in
41 Vgl. z. B. Wiktorski (2014); Schütz (2014); Pallaske/Siebenreich (2000).
42 Mommsen (1995), 564. Viele Auguststudien beziehen sich auf diese Textstelle, weil sie weder von
einer allgemeinen Kriegsbegeisterung noch von einer allgemeinen Kriegsangst spricht, vgl. dazu
den Kommentar von: Geinitz (1998), 20.
43 Für Deutschland: Hermann (2014); Zedler (2014); Stöcker (22014); Stöber (2013); Herzig (2010);
Chickering (2009), 61–73; Nübel (2008); Ziemann (2007), 15–27; Schröder (2007); Schmidt
(2007), 49–56; Andresen (2006); Link (2004); Lipp (2003), 11 f., 92, 151, 244; Müller (2002),
56–70; Verhey (2000); Geinitz (1998); Geinitz/Hinz (1997); Raithel (1997) und (1996); Kruse
(1993); Gehlen (1993); Brommer (1986); Boll (1981), 151–192; Ullrich (1976), Bd. 1, 140–220;
Reulecke (1974); Schwarz (1971), 106–130. Für Frankreich: Beaupré (2011); Raithel (1997) und
(1996); Flood (1990), 5–16. Für das deutsche Reichsland Elsaß-Lothringen: Kramer (1997). Für
Großbritannien: Strandmann (2011); Gregory (2008), 9–39; Pennell (2008); Müller (2002), 70–
81.
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453