Seite - 47 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Moll materialreich untersucht wurden.150 Wichtige Bestandslücken betreffen die
Bereiche „Abgrenzung des Armeebereichs“, „Verhängung des Ausnahmezustands“,
„Ausnahmeverfügungen“, „Korrespondenz mit dem Armeeoberkommando“ sowie
„Militärzensur“.151 Bei meinen aktenbezogenen Einsprengsel handelt es sich um
die Korrespondenz zwischen dem Statthalter Manfred von Clary und Aldringen152
(daher Statthalterei-Präsidium) auf der einen Seite und dem Militärkommando
Graz, dem Grazer Stadtrat, der Polizei-Direktion Graz, den Bezirkshauptmann-
schaften, der Oberstaatsanwaltschaft sowie dem Fürstbischof für das Bistum Seckau
(seit 1963: Diözese Graz-Seckau) auf der anderen Seite. An den Akten der k.
k.
Po-
lizei-Direktion Graz erkennt man aus meiner Sicht besonders gut, wie politisch
voreingenommen und wie politisch motiviert einige steirische Beamte vorgingen.
Die Annahme, dass die Akten apolitische bzw. neutral-dokumentarische Aussagen
und Tatsachenberichte liefern würden, ist wenig zielführend. Ich versuchte, die
im Hinterkopf unreflektiert „mitschreibende“ Quellenhierarchie entlang der Un-
terstellung, dass Akten stets „besser“ sind als Zeitungen, zu unterdrücken bzw. zu
vermeiden. Darüber hinaus zog ich Gesetzes- und Verordnungsblätter, Jahresbe-
richte, statistische Fachzeitschriften sowie weitere Quellen zur Analyse heran. Wie
bei den Akten handelt es sich bei ihnen mehr um Einschübe. Im Wesentlichen ver-
suchte ich die Zahl der Quellenkörper gering zu halten, um so den Raumzeitfaktor
sowie prinzipiell die Materie stemmen zu können. Auf „zwischenkriegszeitliche“
Quellen, wie zum Beispiel die Regimentsgeschichten, wurde prinzipiell wegen
ihrer (nachträglichen) Grundierung verzichtet.153 Unter den vielversprechenden
Überlieferungssträngen aus den Tagen rund um den Kriegsbeginn, die hier aber
150 Siehe vor allem den luziden (generell auf Akten basierenden) Aufsatz „‚Verräter und Spione über-
all‘. Vorkriegs- und Kriegshysterie in Graz im Sommer 1914“ von: Moll (2001), des Weiteren
unbedingt: Moll (2007a). Aus diesem Grund griff ich primär auf Zeitungen und Zeitschriften
zurück.
151 Einen Überblick über die weltkriegsbezogenen Bestände des Steiermärkischen Landesarchivs
(Bestandslücken, Provenienz etc.) verschaffen: Weiss (2014); Moll (2007a), 35 f.; (2005) und
(2003), 385.
152 Manfred von Clary und Aldringen (1852–1928) war nahezu durchgehend von 1898 bis 1918
Statthalter der Steiermark. Unterbrochen wurde seine Amtszeit als Statthalter lediglich durch
seine rund dreimonatige Amtstätigkeit als Ministerpräsident der cisleithanischen Reichshälfte
(1899). Bis dato liegt noch keine wissenschaftliche Biografie über den Statthalter vor. Die meisten
biografischen Notizen finden sich in: Moll (2007a).
153 Vgl. z. B. die schön gestaltete, zweibändige Regimentsgeschichte „Das steirische Infanterie-Regi-
ment Nr. 47 im Weltkrieg“ von Ludwig Freiherr von Vogelsang (1932).
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453