Seite - 49 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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tels analytischen Ausblendens des Endergebnisses mit den Grazer Quellen Tag für
Tag mitgegangen, um die jeweiligen Erfahrungsräume und Erwartungshorizonte
gemessen an den zeitgenössischen Wissensbeständen erfassen zu können. Dieses
langsame Voranschreiten mithilfe von Ereigniskatarakten159 schlägt sich aber nicht
eins zu eins in der Arbeit nieder.
Fünfter Methodenstrang: Die Quellen wurden nicht nur chronologisch, son-
dern auch mehrfach gelesen. Ein mehrmaliges Lesen der Quellen war notwendig,
da erst mit dem Voranschreiten der einzelnen Tage und Wochen des Jahrs 1914 di-
verse vorangegangene Prozesse für mich Sinn ergaben bzw. für die Beantwortung
der beiden Fragenbereiche wichtig wurden.160 Ihre Relevanz – besonders als es um
den vorkriegszeitlichen Nährboden der späteren „Einheit“ oder das Ausmaß der
Kriegsbegeisterung ging – erschloss sich daher erst, nachdem alle Quellen gelesen
wurden. Eine bereits im Vorfeld aufgestellte (ereignisgeschichtliche) Themenpa-
lette gab es nur insofern, als dass den jeweiligen Alltagsmomenten, die in anderen
Auguststudien thematisiert wurden, aufgrund des notwendigen Vergleichs auch
in Graz nachgegangen wurde. Die Auswahlkriterien für die letztendlich dargeleg-
ten Grazer Alltagsmomente resultierten daher aus den Vorgaben der bisherigen
Fachliteratur, aus den Quellen sowie aus eigenen Überlegungen.161 Wenngleich
die Themenpalette – abseits der von der bisherigen Augustforschung vorgegebe-
nen Themen – weitgehend unbestimmt war, verlief die Beantwortung der erst mit
der Zeit präzisierten Fragestellung entlang konventioneller Faktoren: Ich orien-
tierte mich an den politischen und nationalen Milieus, den Geschlechtern, den
Konfessionen und an den Alterskohorten. Diesen historisch wandelbaren Ge-
sellschaftsformationen bzw. Zugehörigkeiten konnte letztendlich einmal besser,
einmal schlechter nachgegangen werden.162 Einer der – hierfür verantwortlichen
159 Begriff nach Peter Sloterdijk (32005), 677.
160 In gewisser Hinsicht berücksichtigte ich daher innerhalb meines Beobachtungszeitraumes die
historischen Endergebnisse der Oktober- und Novembertage 1914.
161 Nicht alles schlägt sich in den Quellen nieder. Vieles kann sich meiner Meinung nach auch nicht
in den Quellen niederschlagen, sondern muss mittels immanenter Quellenexegesen erschlossen
werden (z. B. Theorien, Periodisierungen, Kausalbeziehungen).
162 Sieht man vom Menschen ab, so blendete ich die Tierwelt prinzipiell aus. Zur Tierwelt vgl. unter
Umständen das „Kriegslied“ von Max Bewer: Von denen niemand spricht ..., in: Grazer Tagblatt,
31.10.1914 (2. Morgenausgabe), 12. Die hier herangezogenen politischen Zeitungen verschwei-
gen anarchistische, syndikalistische, freisozialistische bzw. frühkommunistische Stimmen. Weit-
gehend schwierig erwies sich für mich auch die Beantwortung von Fragen bezüglich der Kon-
fessionen (In Graz gab es damals keine muslimischen oder jüdischen Zeitungen). Des Weiteren
lenkte (zumindest) das erste Kriegsjahr den Blick auf die Jugend zum Nachteil der älteren Men-
schen. Aus diesem Grund konnte ich auch nur sporadisch den unterschiedlichen Alterskohorten
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453