Seite - 78 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Sarajevoer Attentat und
Graz78
Wurde etwas abgelehnt, hieß es in den in Klammern gesetzten „Stimmungslagen-
Ausweisen“ üblicherweise: „(Stürmische Pfuirufe.)“, „(Stürmische Protestrufe.)“,
„(Große Entrüstung.)“, „(Lebhafte Entrüstungsrufe.)“.41 Stimmte man etwas zu,
hieß es beispielsweise: „(Stürmischer Beifall und Rufe: Sehr richtig!)“, „(Lebhafte
Zustimmung.)“, „(Stürmische Zustimmung.)“, „(Große Heiterkeit.)“, „(Große
Erregung.)“, „(Große Bewegung.)“, „(Großer, langandauernder Beifall.)“.42 Diese
„Stimmungslagen-Ausweise“ kündigen bereits an, dass „Hingabe“, „Erregung“,
„Bewegung“ und „Zustimmung“ im begriffstechnischen Sinne nahe beieinander
lagen. Dass damals der Begriff „Begeisterung“ ein wenig anders gelagert war als
heute, zeigt sich dann an folgenden Beispielen:
• „Die Ausführungen des Referenten [...] fanden überall stürmische Zustimmung
und mit Begeisterung wurde eine Resolution angenommen.“43
• „Die Kunde von der Wahl unseres Genossen [Alois] Ausobsky zum Vizebür-
germeister der Stadt Graz wird in der Grazer Arbeiterschaft ohne Zweifel große
Freude und Begeisterung auslösen.“44
• „In seiner Begrüßungsansprache konnte [...
ein Sozialdemokrat] mit Recht auf die
Begeisterung und Arbeitsfreude, die in unseren Jugendorganisationen herrscht,
hinweisen.“45
• „Mit Freude und Begeisterung wurde die Tagung des Internationalen Sozialisten-
kongresses im August in Wien begrüßt, der inmitten der militärischen Rüstun-
gen aller Staaten eine mächtige Kundgebung der Arbeiter aller Staaten gegen die
Kriegshetze und für den Frieden sein wird.“46
Diese Sprachbilder finden sich auch in den anderen Grazer Tageszeitungen. Bei
den folgenden vier Zitaten handelt es sich um diverse politische Entscheidungs-
situationen sowie um andere Willensbildungen, die vom katholischen Volksblatt
politjournalistisch aufbereitet wurden.47 Die ersten drei Artikel berichteten von
41 Diese Zwischenrufe fielen (anscheinend) bei einer sozialdemokratischen Veranstaltung am
20. Mai 1914 in Graz, vgl. Die wirklichen Gründe der Bürgervereinshetze gegen die Gemeinde,
in: Arbeiterwille, 23.5.1914, 2.
42 Ebd. Ähnliche Stimmungsbeschreibungen finden sich in: Der 1.
Mai, in: Arbeiterwille, 3.5.1914, 4.
43 Knittelfeld. (Von der k. k. Staatsbahn.), in: Arbeiterwille, 10.4.1914, 9.
44 Der erste sozialdemokratische Vizebürgermeister im Grazer Gemeinderat, in: Arbeiterwille,
9.1.1914, 11.
45 Krieglach. (Zahlstellengründung.), in: Arbeiterwille, 18.2.1914, 10.
46 Der 1. Mai, in: Arbeiterwille, 3.5.1914, 4.
47 Für das deutschnationale Milieu, vgl. nur: Der Volkstag, in: Grazer Tagblatt, 22.6.1914 (Abend-
ausgabe), 1.
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453