Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Seite - 90 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 90 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße

Bild der Seite - 90 -

Bild der Seite - 90 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße

Text der Seite - 90 -

| Sarajevoer Attentat und Graz90 verschärft ihre innen- und außenpolitischen Positionen inklusive der Realisierung ihrer jeweiligen um die Jahrhundertwende herausgebildeten (ganzheitlichen) Le- bensentwürfe.98 Der Fokus lag dabei wie so oft auf den südlich gelegeneren Re- gionen der Monarchie und hier vor allem auf dem „Süden“ der Steiermark (die „Untersteiermark“). Das Sarajevoer Attentat wurde als politisches Ereignis obers- ter Priorität mit einem Konglomerat von Folgen definiert, dem man mittels in- tensiver sowie parteikonformer Berichterstattung gerecht werden wollte. Dieses umfassende und scharf geführte Ringen um die Deutungshoheit von „Sarajevo“ stellt daher einen entscheidenden Unterschied zur deutschen oder französischen Presselandschaft dar. Dort erfuhr der Anschlag größtenteils nur für wenige Tage Resonanz.99 Für einige, wenige Regionen trifft dies allerdings nicht zu, da die Zei- tungen dort unentwegt über das Attentat und dessen etwaige Folgen debattierten (z.  B. Teile der Presse in Bamberg100). So wie die meisten Zeitungen Deuschlands widmeten sich auch die schweizerischen Zeitungen nur für kurze Zeit dem Atten- tat (z.  B. die Zürcher Zeitungen).101 In Graz öffneten die professionell arbeitenden Redaktionen entlang ihrer Wissensbestände ein weites Themenfeld, in dem sich historische „Altlasten“ und zeitgenössisches Polit-Hickhack rund um die Monar- chie und den „Balkan“ schnell vermischten. Zu den angesprochen Themen zählten: das Attentat an sich (Hergang, Hintergründe, Rezeption im Ausland), die Person Franz Ferdinand (Würdigung, Kritik), die „drittklassige“ Form der Trauerzere- monie (über die man sich eigentlich nicht beschwerte), die Person Karl als neuer Thronfolger der Monarchie, der serbische „Königsmord“ (1903), der „Schweine- krieg“ (1906), die „Annexionskrise“ (1908/09), die Balkankriege (1912/13) sowie die derzeitige Situation am „Balkan“, allen voran in Bosnien und der Herzegowina sowie in Serbien. Im Zentrum der tagespolitischen „Balkanberichte“ standen die 98 Die ganzheitlichen Lebensentwürfe trachteten danach, den Menschen in seiner Gesamtheit zu erfassen (Suche und Wunsch nach Authentizität, Vollkommenheit und Wahrheit) sowie etwaige Fragen bezüglich der „Klasse“, „Masse“, „Volk“, „Nation“, „Rasse“, „Konfession“ oder „Kultur“ zu lösen. Als solche verliefen sie entlang eng verwobener Sphären (Politik, Geschlecht, Konfession, Arbeit, Wohnraum etc.), die aber vielfach als statisch und vorgegeben erlebt bzw. erfahren wur- den. Die ganzheitlichen Lebensentwürfe fungierten als normative Lebensauffassung zur Been- digung eines von Unsicherheit, Fragmentierung, Erregtheit, Zerrissenheit, Distanziertheit, Ori- entierungslosigkeit, Borniertheit, Morschheit und Kleinkariertheit wahrgenommenen Alltags. Derartige „Ganzheitsentwürfe“ zur Behebung diverser nicht „zukunftsfähiger“ Sinnkrisen sowie Degenerations- und Untergangsvorstellungen formulierte vor allem das bürgerliche/akademi- sche Milieu. 99 Raithel (1996), 147  f., 152  f. 100 Link (2004), 294  f. Diese Tatsache brachte aber keine Unruhe in den Alltag. 101 Herber (2014), 66.
zurück zum  Buch Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße"
Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Titel
Graz 1914
Untertitel
Der Volkskrieg auf der Straße
Autor
Bernhard Thonhofer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln- Weimar
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Abmessungen
17.4 x 24.5 cm
Seiten
510
Schlagwörter
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Graz 1914