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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Seite - 146 -
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| Innenstadt und Bahnhof146 schule sowie zu Denkmälern. Die augenfälligen und hörbaren Straßenumzüge gal- ten in den bürgerlichen Zeitungen als Ausdruck einer unverfälschten, unschuldi- gen und daher reinen „Volksseele“. Die Rede von einer reinen „Volksseele“ war nicht neu, sondern sie war bereits vor dem Krieg ein fixer Bestandteil agrarroman- tischer und alpinromantischer Vorstellungen. 1914 galt diese „Volkseele“ als ein unumstößlicher „Garant“ für den gerechten, weil aufgezwungenen „Verteidigungs- krieg“. Demzufolge sei die Monarchie zwar zum „Serbienkrieg“ gezwungen und gerade deswegen würde die Bevölkerung (das „Volk“) sich freiwillig (und ohne Zwang) dem Krieg stellen. Die bürgerlichen Zeitungsredaktionen betrachteten demnach die Straßenumzüge als Sprachrohr des von der „Volkseele“ geleiteten „Volkes“. Die Straßenumzüge würden daher lediglich der lange im „Volke“ ge- schlummert habenden und nun aufgeweckten „Seele“ folgen. Aus diesem Grund kamen sie mehr oder minder spontan zustande. Der journalistische Verweis, dass die spontanen (und daher nicht organisierten) Straßenumzüge einer „Volkseele“ folgen würden, intendierte eine politische Abgrenzung von den organisierten Stra- ßenaufmärschen der Arbeiterbewegung (der Vorkriegsjahre). Das Erleben der abendlichen Straßenumzüge erschütterte die einstige fundamentale Gewissheit über den „kranken Mann an der Donau“ sowie den „Völkerkerker“ massiv. Und so blieben die verregneten Straßenumzüge für jeden „treuen Österreicher [...] unvergeßlich“.49 Analoge Schilderungen finden sich auch in den anderen bürgerli- chen Zeitungen. So deutete beispielsweise die mit der Tagespost zusammenarbei- tende Grazer Montags-Zeitung die Kundgebungen als Ausdruck von „Vaterlands- liebe“ und „Loyalität“ sowie als ein Zeugnis eines leidenschaftlichen „Patriotismus, den man kaum mehr erwartet“ hatte.50 Das radikal deutschnationale Tagblatt sprach bezüglich des ersten, großen Straßenumzugs (25.  Juli) von „einer mächti- gen Kundgebung elementaren Volksempfindens“ durch „eine mehr als tausend- köpfige Menge“.51 Hier und da äußerte sich die bürgerliche Presse sogar erleichtert über das jeweilige Ende der wenigen Straßenumzüge und der vielen Kundgebun- gen in den Gast- und Kaffeehäusern. Der Grund, warum sich die bürgerliche Presse einige Male über das Ende eines „patriotischen“ Straßenumzugs erleichtert zeigte, lag in dem hohen Gewaltpotential dieser Tage. Man muss sich nur vorstel- len, dass damals nicht wenige Menschen auf offener Straße oder in den Kaffee- und Gasthäusern zusammengeschlagen wurden.52 Zuweilen wurden diese – der Auf- 49 Begeisterte patriotische Kundgebungen, in: Grazer Volksblatt, 27.7.1914 (Sonderausgabe), 3. 50 Der gestrige Tag, in: Grazer Montags-Zeitung, 27.7.1914, [ohne Seitenangabe]. 51 Die Aufnahme der Kriegsnachricht in der Stadt, in: Grazer Tagblatt, 26.7.1914, 32. 52 Siehe die vier Kapitel: Infiltrierendes „Spinnennetz“, Ausschreitungen, Demonstrationen vor Ge- schäften und Soldaten abseits der Truppe.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Titel
Graz 1914
Untertitel
Der Volkskrieg auf der Straße
Autor
Bernhard Thonhofer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln- Weimar
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Abmessungen
17.4 x 24.5 cm
Seiten
510
Schlagwörter
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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