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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Seite - 149 -
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Die „patriotischen“ Straßenumzüge | 149 Rezeption der „patriotischen“ Straßenumzüge vonseiten der bürgerlichen Redakti- onen manifestierte sich ihr Perspektivenwechsel auch darin, dass sie den Begriff „Masse“ nun vielfach wohlwollend aufgriff.60 Zuvor war der Begriff in der Regel negativ konnotiert und vielfach auf die Sozialdemokratie bezogen. Sie stellte keine „Honoratiorenpartei“ dar, sondern sie galt als eine „Massenpartei“. So bezeichnete wenige Tage vor dem Sarajevoer Attentat das Volksblatt die Sozialdemokratie als „die Religion großer Massen“, die „planmäßig auf die Entschriftlichung der Gesell- schaft“ hinarbeiten würde.61 Vor 1914 hießen die konservativen Milieus nur dann die am Ort verweilenden Großereignisse für gut, wenn sie ihrer eigenen Politik entsprachen bzw. zugutekamen. Das zeigt sich zum Beispiel am deutschnationalen „Deutschen Volkstag“ in Klagenfurt, der wenige Tage vor dem Anschlag in Sara- jevo abgehalten wurde. Das Tagblatt sprach diesbezüglich von einer „Massenversammlung“62, die als solche nur lobenswert und begrüßenswert sei. Auch die großen „Volkstombolas“ am Grazer Hauptplatz oder sonst wo standen nie in Kritik. Zumindest nicht im Hinblick auf ihre Größe. Die am Ort verweilende „Masse“ konnte demnach in den bürgerlichen Zeitungen sowohl vor „Sarajevo“ als auch im ersten Kriegsjahr 1914 für etwas Positives stehen. Die sich nicht (!) bewe- gende „Masse“ wurde von der bürgerlichen Presse aber, wie gesagt, nur dann ak- zeptiert und/oder gefördert, wenn sie nicht der eigenen Parteilinie und den eige- nen Politinteressen widersprach.63 Deutlich erkennt man dies an den (stationären) „patriotischen“ Kundgebungen in den Kaffeehäusern oder sonst wo. Die bürgerli- che Presse zog zur Beschreibung dieser Kundgebungen problemlos und mehrmals den Begriff „Masse“ heran. Dementsprechend hatte das Konzert einer Militärka- pelle im Café Stadtpark „einen Massenbesuch aufzuweisen“64 und auch das Kon- zert im Café Hilmteich hatte „einen Massenbesuch“.65 Dass die bürgerlichen Zeitungen die „patriotischen“ Straßenumzüge guthie- ßen, ist nicht nur angesichts ihrer eigenen Juliberichterstattung verständlich. Neu hingegen ist die Tatsache, dass man zur Beschreibgung dieser (gelobten) Straßen- umzüge den Begriff „Masse“ heranzog. Denn die sich bewegende „Masse“ war in den Vorkriegsjahren konträr zur stationären „Masse“ eher negativ konnotiert. 60 Eine Analyse der Begriffe „Menge“, „Masse“ und „Volk“ in: Koselleck (1992a) und (1992b). 61 Die Sozialdemokratie und die italienische Revolte, in: Grazer Volksblatt, 18.6.1914, 1. 62 Der Volkstag, in: Grazer Tagblatt, 22.6.1914 (Abendausgabe), 1. 63 Vgl. z.  B. Sozialdemokratie und Kriegsgefahr, in: Tagespost, 26.7.1914, [ohne Seitenangabe]. 64 Patriotische Kundgebung beim Stadtparkkonzert der Belgier, in: Grazer Tagblatt, 5.8.1914 (Abendausgabe), 4. 65 Patriotische Kundgebungen beim gestrigen Stadtparkkonzert, in: Grazer Tagblatt, 10.8.1914 (Abendausgabe), 3.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Titel
Graz 1914
Untertitel
Der Volkskrieg auf der Straße
Autor
Bernhard Thonhofer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln- Weimar
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Abmessungen
17.4 x 24.5 cm
Seiten
510
Schlagwörter
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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