Seite - 161 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Unklare Mobilisierungsplakate | 161
samten Kriegszeit 222.709 Männer stellen.126 Für tauglich befunden wurden aber
nur 107.705 Männer (siehe Tabelle 2). Diese Zahlen decken sich mit den zeitge-
nössischen Angaben in der Presse. Die Zeitungen erhielten die Zahlen sicherlich
vom Militär und gaben diese korrekt wieder. Etwaige in die Höhe geschraubte
Musterungszahlen wurden von mir nicht gefunden.
Tabelle 2: Die Landsturmmusterungen im Ergänzungsbezirk Graz
Jahr Anzahl der Gemusterten Anzahl der für tauglich
Befundenen
1914 46.781 25.252
1915 92.691 55.085
1916 41.479 13.328
1917 31.060 10.430
1918 10.698 3.610
Quelle: Rumpler/Schmied-Kowarzik (2014), 144.
Das Lesen, Vorlesen und Diskutieren der Mobilisierungsplakate war ein zentrales
Alltagsmoment des 26. Juli. Daneben öffneten an diesem verregneten Sonntag ei-
nige Geschäfte ihre Türen, sodass sich Soldaten mit dem Allernötigsten eindecken
konnten.127 Ferner waren erneut viele Menschen „in den dichtbesetzten Gast- und
Kaffeehäusern“ anzutreffen.128 Das Tagblatt vernahm dabei „eine eigenartige, fei-
erliche Stille“.129 Diese „Stille“ interpretiere ich als einen Akt immenser Konzent-
ration und Anspannung. Dies deckt sich auch mit anderen Zeitungsartikeln dieser
Tage. In der Annenstraße, der großen Verbindungstraße zwischen dem Hauptplatz
und dem Hauptbahnhof, vernahm die Tagespost beispielsweise ebenso eine Span-
nung: „Fast jeder hielt ein Zeitungsblatt in der Hand, um in größter Spannung die
neuesten Nachrichten zu vernehmen.“130 Die sozialdemokratische Berichterstat-
tung bezüglich der Stadtereignisse vom 26. Juli stellte wie jene hinsichtlich des
Stadtgeschehens vom 25. Juli eine Randnotiz dar. Die Mittags- und Nachmittags-
126 Zahlen nach: Rumpler/Schmied-Kowarzik (2014), 144. Während des Kriegs kam es monarchie-
weit zu 17 Landsturmmusterungen, „bei denen manche Jahrgänge bis zu fünf Mal aufgerufen
wurden.“ Vgl. Schmied-Kowarzik (2016), 505.
127 Am 31. Juli 1914 wurde dann die Sonn- und Feiertagsruhe (teilweise und vorübergehend) auf-
gehoben, vgl. Kaiserliche Verordnung vom 31. Juli 1914 über die Sonn- und Feiertagsruhe im
Gewerbebetriebe, in: Wiener Zeitung, 1.8.1914, 1 [ferner Seite 8].
128 Der Sonntag, in: Grazer Tagblatt, 27.7.1914, 4.
129 Ebd.
130 Szenen am Hauptbahnhofe, in: Tagespost, 27.7.1914, [ohne Seitenangabe]. Zur Annenstraße:
Stromberger/Tragatschnig (2010).
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453