Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Seite - 196 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 196 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße

Bild der Seite - 196 -

Bild der Seite - 196 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße

Text der Seite - 196 -

| Innenstadt und Bahnhof196 Wegrollen der Züge – ob man nun im Zug saß oder am Bahnsteig stand – konnte somit eine Form des individuell erlebten Kriegsbeginns darstellen: „In Trupps ziehen sie hin, an einer Seite die weinende Frau, an der anderen das verängs- tigte Kind. [...  Die jungen unverheirateten Soldaten] sind voll Freude und Begeisterung. Die aber ernst und ruhig dreinsehen, die mit den übernächtigen Gesichtern, das sind die jungen Ehemänner, die jungen Väter! Wie hätten sie in dieser Nacht schlafen können, wo ihr Blick über die schluchzende Frau hin zu den arglos schlummernden Kindern streifte. Wo Sorge, Liebe und Leid um sein Bett standen und den Schlaf verscheuchten. Und da draußen schluchzt das Weib zum Erbarmen, die Kinder drängen sich an die weinende Mutter, begreifen nichts und fühlen doch den feierlichen Ernst der Stunde.“318 Die journalistischen Abschiedsszenen bemühten sich, den Trennungsschmerz ei- nigermaßen angemessen darzustellen, was nicht bedeutet, dass sie frei von poli- tischer Grundierung waren. Dennoch entsprachen die Abschiedsbilder in Form von Artikeln, Gedichten und Zeichnungen weitgehend dem Ernst der Lage.319 Mit ziemlicher Sicherheit konnten die Presseaufmunterungen nur wenig bewirken, was die betreffenden Bemühungen der Redaktionen an sich nicht schmälern soll. Aus meiner Sicht konnten aber die aufmunternden Worte der Zeitungen nur des- wegen so wenig helfen, weil es die Situation schlicht und ergreifend nicht zuließ. Viele Männer, die im Grunde genommen erst seit Kurzem wussten, dass sie ihren Bauernhof, ihren Laden oder sonstigen Arbeitsplatz verlassen mussten, konnten nur bedingt abschätzen, was einerseits auf sie zukommen und andererseits mit ihren Familien geschehen würde. Man stand gefasst am Bahnhof und wartete auf den Befehl zum „Aufsitzen“ (die „Einwaggonierung“320). Obendrein hatten viele Menschen die Bilder von den beiden Balkankriegen im Kopf.321 Keiner dachte wohl mehr an Franz Ferdinand. Die Hoffnung, dass dieser Krieg, der nun weit mehr als ein Krieg zwischen der „Donaumonarchie“ und dem „kleinen“ Serbien war, schnell vorüber gehen werde, war dennoch sehr groß. Diese Hoffnung heg- 318 Gegen den Feind, in: Grazer Volksblatt, 28.7.1914, 4. Dieses Bahnhofsbild beschreibt einen Trup- penabmarsch von Ende Juli. 319 Siehe z.  B. drei Bahnhofsbilder vom Arbeiterwillen: Der Abschied von den Lieben, in: Arbeiter- wille, 27.7.1914, 3; Das Bild am Bahnhof, in: Arbeiterwille, 27.7.1914 (Abendausgabe), 2; Bahn- hofbilder, in: Arbeiterwille, 3.8.1914 (Abendausgabe), 4. 320 Abschied!, in: Grazer Volksblatt, 11.8.1914 (12-Uhr-Ausgabe), 2. 321 Die Zeitungen erinnerten mehrmals an das verheerende Ausmaß und die Folgen der Balkan- kriege, vgl. nur den Satz: „Im Balkankrieg belief sich die Zahl der Toten, sowie der an Wunden und Seuchen Erlegenen auf 25 Prozent der Gesamtstreitkräfte.“ Aus: Der Dreihundert-Milliar- den-Krieg, in: Grazer Mittags-Zeitung, 30.9.1914, 2.
zurück zum  Buch Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße"
Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Titel
Graz 1914
Untertitel
Der Volkskrieg auf der Straße
Autor
Bernhard Thonhofer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln- Weimar
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Abmessungen
17.4 x 24.5 cm
Seiten
510
Schlagwörter
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Graz 1914