Seite - 205 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Abschiedsszenen | 205
eine Reduktion der rastlosen „Hyperaktivität des Kriegsbeginnes“352 ein. Die Re-
duktion der Erregtheit korrelierte mit dem vorläufigen Ende der territorialen Lo-
kalisierungsfrage, dem Ende der Geldabhebungen und Hamsterkäufe sowie dem
Ende der abendlichen Menschenansammlungen in der Innenstadt. Alle diese All-
tagsmomente waren nun vorüber, was von der Presse vielfach betont wurde: „Das
Gedränge in den Straßen hat abgenommen.“353 Von nun traten wieder ruhigere
Momente in das Alltagsleben ein. Das Privatleben stand in diesen Tagen im Ver-
gleich zu den letzten Wochen wieder mehr im Vordergrund und es galt, den Krieg
mit all seinen Auswirkungen auf den unmittelbaren Lebensvollzug zu verarbeiten.
Die in eine „Stille vor dem Sturm“354 kulminierende Drosselung der Rasanz und
Unmittelbarkeit des Alltagslebens fand sich am Ende quer durch die Zeitungen
und Zeitschriften:
• „Acht volle Tage währt nun die große, atembeklemmende Krise.“ (2. August).355
• „Die Jubelstimmen wurden ein bißchen heiserer, als die Nachricht kam von den
Rüstungen in Rußland“ (3. August).356
• „Der erste Rummel, die erste große Aufregung ist vorüber. Wir wissen jetzt, woran
wir sind, gegen wen und wofür unsere Heere kämpfen.“ (8. August).357
• „Nun ist es ruhig. Heute steht die Weltgeschichte still. Es bleibt die Post aus.“
(5. August).358
• „Langsam wird es stille um uns; aber es ist nicht die süße Ruhe des Friedens,
sondern die Stille vor dem Sturm, der durch die Lande brausen wird [...].“
(14. August).359
• „Diese Tage sind plötzlich still wie ein Karfreitag. Die durchfahrenden Militär-
züge haben fast aufgehört. Auf den Straßen sieht man kaum ein Automobil.“
(16. August).360
352 Geinitz (1998), 147.
353 In ernster Zeit, in: Grazer Tagblatt, 31.7.1914 (Abendausgabe), 2.
354 Diese Wettermetaphorik schlug sich auch in den Grazer Tageszeitungen rund um den Ausbruch
des Ersten Balkankriegs nieder.
355 Die Stunde schlägt, in: Tagespost, 2.8.1914, 1.
356 Heimgärtners Tagebuch, in: Heimgarten (1914), Nr. 12, 937.
357 Auf zur Arbeit!, in: Tagespost, 8.8.1914, 1.
358 Heimgärtners Tagebuch, in: Heimgarten (1914), Nr. 12, 938.
359 Arbeit!, in: Tagespost, 14.8.1914, 1.
360 Heimgärtners Tagebuch, in: Heimgarten (1914), Nr. 1, 60.
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453