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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Seite - 253 -
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Transportkolonne am Bahnhof | 253 Sensationslust herumspazierten [...] unbehelligt weiterpromenieren“ durften.630 Das Tagblatt forderte daher entweder gleiches Recht für alle (im Sinne von, dass alle uneingeschränkt herumgehen dürfen), oder dass die „Dämchen“ verschwin- den. Die Kritik richtete sich demnach zum einen gegen das Wachpersonal und zum anderen gegen Grazerinnen, die sich in den Augen des Tagblatts unangemes- sen am Bahnhof benahmen. Solche Vorwürfe (und Forderungen) gab es viele in der Grazer Presselandschaft. Aus der Retrospektive sieht man sich also mit einem „Ensemble“ von unterschiedlichen und teilweise sich widersprechenden Vorstel- lungen bezüglich des „richtigen“ Verhaltens an der „Heimatfront“ konfrontiert. Damals konnte man aber weder alle diese Vorstellungen kennen, noch konnte man sich gleichzeitig an alle halten. Dem Arbeiterwillen missfiel es zum Beispiel im November 1914, dass am Bahnhof ein Soldat bei der Vergabe von Brot an Flücht- linge das Brot einfach zu Boden warf.631 So kamen dem Artikel zufolge, in Graz wieder „ruthenische Flüchtlinge“ an und „[w]iederum waren es meistens Frauen und Kinder, die vor dem Feinde geflohen und Schutz im Inneren des Vaterlandes suchten.“632 Das Brot war jedoch viel zu wenig und der Andrang veranlasste den Soldaten offenbar dazu, das Brot auf die Straße zu werfen, was zu einem „Balgen, Drängen und Stoßen“ führte. Bereits am Vortag, so der Artikel, wurde den Flücht- lingen „die Verabreichung von Wasser verweigert“. Hierbei handelte es sich um eine Maßnahme gegen die Cholera. Der Arbeiterwille akzeptierte den aus seiner Sicht ein wenig überzogenen Wasserentzug – die sorglose Brotvergabe dagegen nicht: „Wenn sich die Leute [...] auf dem Erdboden um die Brotstücke raufen müs- sen, so scheint uns dies auch nicht hygienisch.“633Die Verwundetenobsorge und den Verwundetentransport zu den Spitälern und Notlazaretten bewerkstelligten Anfang September weitaus mehr Organisationen, als man anfänglich von Seiten der Behörden vorsah. An der dem Roten Kreuz unterstehenden Transportkolonne beteiligten sich die Grazer Feuerwehr, die Rettungsabteilung der Grazer Freiwilli- gen Feuerwehr (anfänglich 50 Mann), die Feuerwehren der Grazer „Umgebungs- gemeinden“, der Steiermärkische Automobil-Klub, Studierende, freiwillige Hel- fer und Helferinnen, das Silberne Kreuz, die Sanitär-Hygienische-Hilfsabteilung (S.  H.  H.) sowie anfänglich das Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung. Die Ausbildung wurde von der Rettungsabteilung der Grazer Freiwilligen Feuerwehr 630 Ein wenig mehr Rücksicht – kann nicht gefährlich sein, in: Grazer Tagblatt, 4.9.1914, 3. 631 Eine sonderbare Brotverteilung unter Flüchtlingen, in: Arbeiterwille, 19.11.1914, 3. 632 Ebd. 633 Ebd.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Titel
Graz 1914
Untertitel
Der Volkskrieg auf der Straße
Autor
Bernhard Thonhofer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln- Weimar
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Abmessungen
17.4 x 24.5 cm
Seiten
510
Schlagwörter
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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